Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (18. Juli 2010)
 

Vom Laster gefallen

   Wir haben vom letzten Grillen noch Rostbratwürste übrig. Vom vorletzten Grillen auch. Unsere Kinder essen jetzt lieber Putenspiesse und Schweinespeck. Auf dieses veränderte Kundenverhalten haben meine Frau und ich viel zu spät reagiert. Vermutlich sind wir nur die Spitze des Würstchenbergs. Wenn jede der rund zehn Millionen Familien in Deutschland noch ähnlich viele Rostbratwürste im Kühlschrank hat wie wir, dann ... ich weiss auch nicht. Was macht mit so vielen Würstchen? Wegwerfen?

   Es gibt Firmen, die leben davon, Restbestände aufzukaufen. Sie bezahlen nicht bar, sondern in Form von Gutscheinen. Sie haben Partner an der Hand, die die Restbestände irgendwo billig verkaufen - in Osteuropa zum Beispiel. Und sie haben Partner für diverse Dienstleistungen, für die sie Gutscheine ausgeben. Verstanden? Es ist eine amerikanische Idee. Es nennt sich Corporate Trading. Es ist der letzte Schrei. Du kannst bei diesem Spiel nicht verlieren, mein Bester, es ist eine Win-win-Situation. "Wir vermeiden für unsere Kunden jährliche Verluste in dreistelliger Millionenhöhe und erzielen Cashflow-Verbesserungen in entsprechender Höhe", sagt ein Chefdealer.

   Derzeit wird vor allem mit überschüssigen Fussball-WM-Artikeln gehandelt. Es kann also sein, dass ein Michael-Ballack-Shampoo mit Südafrika-Duft, das hierzulande keine Abnehmer mehr findet, auf dem Schwarzmarkt in Kasachstan landet. Und dass Frau Merkel, die an diesem Sonntag in Kasachstan ist, ihrem Mann eine Flasche davon mitbringt. Das ist Globalisierung, mein Bester.



   Etwas skeptisch bin ich schon, was das Corporate Trading anbelangt. Das mit der wundersamen Geldvermehrung haben schon die Banker nicht hingekriegt, und die waren auch cashflow-fixiert. Irgendwo müssen die Verluste doch bleiben. Aber was weiss ich schon? Ich bin nur ein kleines Licht, ein ökonomisches Rostbratwürstchen. Corporate Trading, so heisst es, sei die Zukunft. Ein Wachstumsmarkt. Da bin ich dabei.

   Irgendwo ist ja immer was übrig. Die Deutsche Bahn zum Beispiel hat gerade einige IC-Klimaanlagen im Angebot. Die sind nicht wirklich defekt, mein Bester, die funktionieren nur bei Hitze nicht. Was spricht also dagegen, die Dinger bei der sibirischen Eisenbahn einzusetzen? Geht nicht, gibt's nicht.

   Ich kann so Zeug auch verkaufen. Bei solchen Geschäften, you know, musst du einfach eine positive Einstellung haben. Was glaubst Du, wo Fidel Castro (83) seine Adidas-Jacken (siehe Bild) her hat? Diese Woche war er mal wieder im Fernsehen. Mit Adidas-Jacke. Das beweist: Der Mann lebt. Er kann sich sogar noch bücken. Denn die Jacke ist in Kuba bestimmt von irgendeinem Laster gefallen.

   Hast Du auch Verwendung für überzählige Politiker? Jürgen Rüttgers (59) wurde diese Woche als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen abgewählt, hat aber versichert, dass er noch alltagstauglich sei: "Ich kann selbst AUto fahren, ich kann Brötchen holen, mit dem Zug fahren, telefonieren." Aber Hallo! Für so einen wird sich doch was finden lassen. Und wenn dieser Deal perfekt ist, mein Bester, dann habe ich noch einen echten Leckerbissen: Ich habe da eine Ladung erstklassiger Rostbratwürste ...
 

 

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