Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (25. Juli 2010)
 

Die Epoche der vaterlosen Gesellen

   Dieser Tage in der christlichen Kita gegenüber. Auf einer Bank zwei Vierjährige im Dialog. Der Junge blättert missmutig in seinem unvollständigen Panini-Album, das Mädchen schlägt soeben einen Roman von Virgina Woolf zu und fragt freundlich: "Weshalb wird eigentlich das Thema Homosexualität in der Bundesliga tabuisiert?" Der Junge: "Ist halt so." Das Mädchen: "Warum ist Gott eigentlich ein Mann?" Der Junge: "Was denn sonst?"

   Das Mädchen: "Hm. Und warum schuften in unserer Kindertagesstätte nur unterbezahlte Erzieherinnen und keine Männer?" Der Junge: "Weil Kinder eben Frauensache sind!" Das Mädchen: "Wie blind du doch bist. Auch dein Blick auf die Geschlechterrollen wird getrübt von einer triebhaften, antifeministischen Metaphysik, die seit Plato bis hin zu Freud in einer Art Spiegelstadium verharrt, in dem sich das männliche Subjekt stets aufs Neue durch seine Spiegelung im Negativ-Weiblichen, das es systematisch ausgrenzt, konstituiert, es zensuriert und als Gegenbild der phallischen Manifestationen in sich integriert."

   Der Junge bricht in Tränen aus, schreit bitterlich nach seiner Mama und rennt davon.



   Diese erschütternde Szene, lieber Leser, ist beileibe kein Einzelfall in diesem ausgeköhlerten, verkochten und umgebeusten Land, in dem die Männer, wir Familien- und Landesväter amtsmüde geworden sind. Kindermund tut Wahrheit kund, heisst es. Und tatsächlich: Wenn es brenzlig wird, zögern wir allenthalben viel zu lang, sammeln Fussballbildchen, nehmen Schaumbäder, schlendern an der Aussenalster herum oder flüchten in den Weinkeller, um am Ende Kinder, Geliebte, Kanzlerinnen, ja ganze Wahlvölker im Stich zu lassen. Der Ifo-Geschäftsklimaindex steigt und steigt. Und wir treten zurück.

   Doch wie konnte es dazu kommen? Wo ist er geblieben, der Patriarch von Schrot und Korn, der seinen Clausewitz noch aus dem Effeff kannte und im Notfall durchregierte, spätestend bis man ihn mit medialem Sperrfeuer aus dem Amt und Würden schoss? Der Minister, der mehr Öl am Gewehrkolben als im Haar hatte. Bundestrainer, die sich nicht zieren. Ein Lenker, der sich nicht versteckt, sondern wie einst Senator Schmidt mit rhetorischen Rauchschwaden ganze Hansestädte trockenlegte, sie aus Jahrhundertfluten rettete, statt in einer grünen Pfütze vor den scharrenden Hufen aufgebrachter Eltern in Blankensee jämmerlich zu ertrinken.

   Was muss sich nun beim Anblick unseres gehörnten Plapperloddar Matthäus ein Alt-Erotomane wie Martin Walser denken, der Feministinnen und Landfrauen gleichermassen allein mit zwei Schachtelsätzen und einer zuckenden Augenbraue zu multiplen Orgasmen verhalf?

   Es hilft alles nichts. Wenn es stimmt, was Bildungsexperten und das Horoskop in der heutigen Zeitung behaupten, dass wir zunehmend in einer vaterlosen Gesellschaft leben, dann sollten wir Söhnchen unserer Mutti Angela einen erholsamen Urlaub wünschen, das Matriarchat akzeptieren und geduldig auf den Start der Bundesliga warten. Oder einfach zurücktreten. Und tschüss.
 

 

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