Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (29. August 2010)
 
Das Heer beschäftigt sich - wie auch immer
   

   Deutschlands schimmernde Wehr, schlank und schlagkräftig wie nie, steht diese Woche an allen Kriegsschauplätzen in mutigen Vorwärtsbewegungen. An der Heimatsfront stürmen Hunderttausende junger Männer mit Hurra in die Altenheime, fahren Essen unter Feindbeschuss zu den Empfängern und unterrichten Problemkinder auf Abenteuerreisen im Gebrauch der Nahkampfwaffen. Die Reform der Bundeswehr und des Zivildienstes macht Deutschland wieder zu einem grossen Spieler im Komzert der Mächte.

   Unsere Redaktion blickt aus diesem Anlass durch die 120-Millimeter-Kanone einer Panzerhaubitze 30 Jahre in die Zukunft und stellt fest, dass wir auch künftig keinen Gegner mehr fürchten müssen - ausser vielleicht die Söldner des Vatikans oder die Schweizer Radfahrtruppe. Die zwölfte Wehrreform wird im Jahr 2040 umgesetzt werden - verantwortlich ist Verteidigungsminister Gottlob Schlauch zu Guttenberg, der im Wege der Erbfolge das Amt des obersten Troupiers von seinem Vater übernommen hat. Das Verteidigungsministerium, eine idyllische Villa am Rande Berlins, verfügt noch über 13 Mitarbeiter, die sozialverträglich auf fünf abgebaut werden sollen.

   An diesem sonnigen Augusttag 2040 blickt zu Guttenberg zufrieden auf ein Dossier mit der Aufschrift "Nur für den Dienstgebrauch". Laut der dort skizzierten Neustrukturierung der Truppe wird erstmals doppelt so viele Generäle wie Soldaten geben - ein Betreuungsschlüssel. der jede Kita schlägt. Das Beschaffungsprogramm sieht zwölf Paar neue Stiefel und eine Tonne Fusspuder vor. Die eigentliche Kampftruppe ist ausgelagert worden und wird nun von der Deutschen Post gestellt.



   Doch jetzt drängt die Zeit. Im Generalstab wird der Angriff auf einen terroristisch infiltrierten Zwergstaat geübt, der über fünf Panzer und frisch gebügelte Uniformen verfügt. Alle Kräfte wirken in einem Zangenangriff zusammen, der sich an den legendären Schlieffen-Plan anlehnt. Die Heeresgruppe Mitte stösst mit 123 Mann auf die Hauptstadt vor, ihre Flanken werden gedeckt von Kehrmaschinen, die mit Wehrpflichtigen und Pappkameraden besetzt sind. Mit den beiden tipptopp gepflegten Leopard-III-Kampfpanzern machen raumgreifende Operationen erst so richtig Spass.

   Allerdings steht einer noch auf einem Abenteuerspielplatz, um Jugendliche mit der Wehrtechnik vertraut zu machen. Soeben wurde der Dienstreiseantrag für die letzte Panzerhaubitze des Heeres genehmigt. "Mein Gott, wenn wir die in Stalingrad gehabt hätten", murmelt zu Guttenberg selbstvergessen und quittiert die Lieferung der frisch gebürsteten Mulis für die Gebirgstruppe durch die Firma Krauss-Maffai. DIe Tiere geniessen bei der Truppe einen einwandfreien Ruf: Zackiger Paradeschritt, legendäres Stehvermögen bei rituellen Besäufnissen.

   Doch nun naht der nächste Termin: Eine Gedenkfeier für die letzte abgeworfene Übungsbombe im Jahr 2015. Fanfare, Blechspangenverleihung, Gepränge - alles wie früher. "Ja früher", sinniert der Minister. "Manchmal möchte man nur mal wieder eine Handgranate nehmen können und den Sicherungshebel ziehen. Aber haben wir überhaupt noch welche? Irgenwo im Harz war doch noch ein übrig gebliebenes Depot ..."
 

 

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