Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (03. Oktober 2010)
 
Im Namen des Hosenanzugs
   

   Die Naturwissenschaft ist für unser tägliches Verständnis von Mensch, Kosmos und das Nachmittagsprogramm von RTL von essenzieller Bedeutung, für den Laien und Sonntagsjournalisten jedoch überaus schwer zu überblicken. Fragen, nur Fragen bleiben uns von dieser physikalisch hoch anspruchsvollen Woche. Was ist Chaos? Was versteht man unter Fraktalen? Was trägt die elegante Dame im kommenden Frühjahr? War das knarzende Rauschen zwischen Johannes B. Kerner und Franz Beckenbauer während der Champions-Legue-Übertragung der endgültige Beweis für die Existenz extraterrestrischer Intelligenz?

   Was soll man erst von der Meldung halten, dass amerikanische Astronomen kürzlich nicht nur einen erdähnlichen Planeten, sondern auch einen sprechenden, aus schwarzdunkler Antimaterie genähten Hosenanzug am Berliner Sternenhimmel entdeckt haben sollen, der unserer Ministerin für Aufzucht und Hege, Ursula von der Leyen, aufs Wort gleicht?

   Während man davon ausgehen kann, dass auf dem neuen Planeten namens "Gliese 581g" kein Leben existiert, haben viele Konserative die Sichtung des schmutzabweisenden Hosenanzugs "Miese 364E" mit Begeisterung aufgenommen. Im Glauben, diese kosmische Erscheinung stehe für mehr Gerechtigkeit und Legitimität in unserem Sonnensystem, liessen enthemmte Landespolitiker in Stuttgart Fontänen sprühen und Tränen liessen. Thomas de Maizière versuchte sich spontan am Hamburger Flughafen mittels eines Nacktscanners in den Orbit beamen zu lassen, konnte aber nur mühsam nach Attacken aufgebrachter Wendeverlierer am FKK-Strand von Rügen rematerialisiert werden.



   Viele Wissenschaftler bezweifeln, ob sich tatsächlich uns bekannte bedürftige Lebensformen in dieser vor sozialer Kälte schlotternden Hosen wohlfühlen könnten. Traumfahrttechnikerin Angela Merkel empfiehlt deshalb schon mal vorsorglich allen zukünftigen Mietern den Einbau neuen Dämmschaums, den die Reisenden in eine emissionsarme Zukunft bitte auch selbst bezahlen sollen. Die Vorkasse für die Behandlung infolge finanzieller Unterkühlungen übernimmt wie immer Doktor Rösler. Der aber warnt vor den Nebenwirkungen. Der besagte Hosenbund im neokonserativen All sei zwar um fünf Euro weiter als die bisherige Hartz-IV-Zwangsjacke, doch würden in dieser ungemütlichen Atmosphäre unbedarfte Anzugsträger mit einer bis zu 70 Prozent stärkeren Anziehungskraft nach unten gezogen werden. Das ist vergleichbar mit den gewaltigen Schwerkräften und Dirndldelirien, die zurzeit auf dem Wasen spätestens nach sechs Mass wirken. Keine Frage, es sind interstellare Grenzerfahrungen.

   Auch andere Menschen, die dieser Tage auf den Boden der Tatsachen gespritzt wurden, berichten von purpurnen Wäldern, rabiaten Baumfällern und schwarzen Wiesen, beleuchtet von ewigem Abendlicht. Eine ferne, feindliche Welt ist das, genauso wie sich die Astronomen auf dem neu entdeckten erdähnlichen Planeten ausmalen. Mal ehrlich: Wer will da hausen? Astronauten? Leere Hosenanzüge? Da können wir von Glück sagen, dass wir auf unserer guten, warmen Mutter Erde auch zukünftig um uns selbst kreisen dürfen.
 

 

Zurück