Spätetestens seit Beginn
dieser Woche gilt Deutschland als führender Produktionsstandort
für Mediatoren. Deutsche Mediatoren sind aufgrund ihrer unbegrenzten
Leidensfähigkeit weltweit gefragt. Kaum entflammt irgendwo ein
Streitgespräch, mischen sie sich mit reptilienhafter Noblesse
ein, holen mit ihrer klebrigen Zunge blitzschnell Argumente
wie Fliegen herein und kauen sie durch. Mediatoren haben in
Deutzschland eine lange Tradition, die allerdings Mitte des
vergangenen Jahrhunderts durch den Einsatz von Granatwerfern
unterbrochen wurde. Ob die deutsche Geschichte hätte umgeschrieben
werden müssen, wäre vor Beginn des Winterfeldzugs ein Mediator
eingeschaltet gwesen, ist ungewiss. Charlie Chaplin hat diese
Sachzwänge ja in seinem Film "Der grosse Mediator"
hinreissend persifliert.
Dieses Stück
wird in Stuttgart gerade wieder inszeniert. Dabei brilliert
die Regie durch den schlüssigen Einsatz von Dreitagebärten und
Lesebrillen und den Einsatz konstruktivistischer Diagramme,
die an Fahrpläne erinnern. Der Runde Tisch als alte Gralsmethaper
bestimmt die Bühne und ermöglicht mit dem Auftritt des Chors
der Entrechteten einen ersten dramaturgischen Höhepunkt. Deren
überhöhte Armut, ihre akribisch ausgearbeiteten Gebissdefizite
lassen den Eindruck zu, Repins legendäres Gemälde "Die
Wolgaschlepper" sei wieder zum Leben erweckt worden - ein
kurioser Ausflug ins Theater des stalinistischen Manierismus.
Der Monolog des Mediators beklagt den Triumph der Sachzwänge
über die Romantik und versetzt die Revolutionäre in todesähnlichen
Schlaf. Das Publikum reagierte ebenfalls ermattet.

Abseits
des Theaters werden Mediatoren heute vor allem in Ehekriegen
eingesetzt, wo sie das ganze Instrumentarium der modernen Vermittlung
entfalten. Geht es beispielsweise um die Haare im Waschbecken,
wird zunächst mit DNS-Probe ermittelt, welchem Ehepartner sie
zugeordnet werden könnten. Oft stellt sich heraus, dass der
andere die Haare grundsätzlich eklig findet, sie aber dennoch
als Zahnseide nutzen würde - schon ist ein privates Minenfeld
entschärft! Beim legendären Gemüsekonflikt, der in den 80ern
beinahe zur Kriegserklärung an Holland geführt hätte, ist es
nur dem Einsatz eines Blumenkohls als Mediator zu verdanken,
dass sich Tomaten und Kohlrabi nicht in einer Abnutzungsschlacht
aufrieben. Es ging damals um die Versorgung mit Stickstoff und
um das Recht, die Oberlichter im Gewächshaus schräg zu stellen.
Heute
sollte ein Mediator mindestens 80, möglichst aber über 100 Jahre
alt sein und mehrere Tausend Tarifschlichtungen absolviert haben.
Das befähigt ihn, in Verhandlungen mit der einen Körperhälfte
zu schlafen und mit der anderen Butterbretzeln zu verdauen.
Seine Sitzphysis zeichnet sich durch signifikante Verdickungen
aus. Man weiss von Mediatoren, die ihren Puls auf unter 30,
also ungefähr auf das Niveau eines Blumenkohls absenken zu können.
Diese Ausdauer erzwingt den entscheidenen Durchbruch in den
Verhandlungen. Dünnhäutige Sozialpartner sind nach dreiwöchigen
Gesprächen am Ende ihrer Kräfte, schluchzen konvulsivisch und
unterschreiben am Ende alles.
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