Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (31. Oktober 2010)


   Ein Lehrstück
 

   Über Minderheiten macht man keine Witze. Ich habe dieses ungeschriebene Gesetz nicht erfunden, halte mich als gesetzestreuer Bürger aber strikt daran. Ich spreche die Sache nur deshalb an, um jegliches Gelächter gleich im Ansatz zu ersticken.

   Wir beschäftigen uns heute mit einem jungem Australier, von dem wir nur wissen, dass er 25 Jahre alt ist und sich eigentlich gar nicht tätowieren lassen wollte. Nach langem Zureden eines Freundes gab er jedoch nach. Der junge Mann legte sich auf den Bauch, und der Freund legte Hand an, auf dem Rücken. Vereinbart war ein Drache, aber offenbar hielt sich der Freund nicht an die Abmachung. Vielleicht ist auch die Nadel abgerutscht, oder ihn überkam ein kreativer Schub. Auf jeden Fall prangte am Ende der Prozedur auf dem Rücken des jungen Mannes kein Drache, sondern das 40 Zentimeter grosse Abbild eines Penisses. Der Tätowierte schöpfte keinen Verdacht, zumal ein anderer Freund dabei war und die Arbeit mit "Kumpel, sieht echt super aus" kommentierte.

   Ich glaube, junge Männer, die sich einen Drachen auf den Rücken tätowieren lassen wollen und hinterher mit einem Penis vorliebnehmen müssen, sind eine Minderheit. Nicht nur in Australien, weltweit. Aus meinem Bekanntenkreis kenne ich keinen vergleichbaren Fall. Ich betone das nur deshalb, damit Ihnen klar ist, dass es hier nich darum geht, sich über das Schicksal eines Australiers lustig zu machen und auf billige Art Lacher zu provozieren.

   Als der junge Mann, in der Annahme, ein Drache schmücke seinen Rücken, nach Hause kam und die Tätowierung seiner Freundin präsentierte, sagte diese: "Ich glaube nicht, dass das das Motiv ist, das dir vorschwebte."

   Nun muss sich der Tätowierer vor Gericht verantworten. Es geht nicht um die Freiheit der Kunst, sondern um Körperverletzung.

   Mir wäre noch manches zum Fall eingefallen. Da sehen Sie mal, wie gut es ist, dass es sich verbietet, über Minderheiten Witze zu reissen.
 

 

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