Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (27. Februar 2011)
 
   Sag mir wo die Truppen sind
 

   Unsere Redaktion, immer auf der Suche nach den düsteren Untiefen der Geschichte, nach unbewältigten Traumata und all dem anderen Psycho-Zeugs, hat sich an einem jener mythenumwaberten Orte umgesehen, deren blosses Aussprechen schon Erschütterung und ein heimliches Grauen hervorruft. Wir sprechen nicht von von der Umkleidekabine des Musikantenstadels, dem Hausaltar Karl Lagerfelds oder der Privatsauna von Bauernpräsident Sonnleitner. Es geht vielmehr um das deutsche Kreiswehrersatzamt. Jahrzehntelang wurden dort Lungen, Testikel und Oberschenkel auf ihre Kriegsverwendbarkeit getestet. Man fasste Probanden hier und dort an, liess sie umherhopsen und die Knie beugen, husten, lachen und die Zähne zusammenbeissen. Danach hätte es ab in den Krieg gehen können, doch der kam nicht.

   Diese Woche erreichte uns die Meldung, dass das Heer mangels Nachwuchs immer mehr ausblutet. Versuche des Verteidigungsministeriums, die Truppenstärke mittels Copy und Paste aufzufüllen, scheiterten. Wir recherchierten in mehreren Kreiswehrersatzämtern und spürten den Hauch von Vergessenheit und Verwesung: In den Räumen fällt fahles Licht auf die efeubewachsenen Schreibtische, der Präsident im Bilderrahmen heisst noch Cartensen, der Luftmarschall Göring. Ein Orthopädie-Offizier untersucht sich gähnend selbst. In den Röntgenapparaten liegen sepia-getönte Aufnahmen von Lungen, deren Besitzer längst aus dem letzten Loch pfeifen, der vertraute Geruch nach abgetragenen Unterhosen und Angstschweiss ist verflogen. Sogar die anatomische Schautafel an der Wand sieht müde aus.

   Alarmiert durch Berichte über den Personalnotstand versuchen immer wieder engagierte Mitbürger den Aderlass bei der Truppe auszugleichen. Wir treffen einen drahtigen Rentner, der angibt, bereits an der Ostfront Erfahrungen gesammelt zu haben. "Ostfront. Aha", antwortet der diensthabende Narkosetroupier. "Und der Rücken?" - "Na ja, der zwickt ein wenig, aber wenn ich mich eingrabe ..." Er macht Anstalten, den Fussboden mit einem Klappspaten aufzubrechen, wird aber rasch von einem HNO-Pionier aus der Stube gedrängt. Stunden später schlurft ein Trainingsanzug mit Goldkette herein. "Die müssen Sie abnehmen, sie kriegen aber 'ne neue". murmelt der Stabsröntgenologe und betrachtet stirnrunzelnd die Tätowierungen. Am Nachmittag finden sich noch einige hustende Hartz-IV-Empfänger ein. Sie beteuern, mit dem frühen Aufstehen keine Probleme zu haben. "Brauchen nur jemanden, der uns weckt." - "Den haben wir", meint ein Gastrologie-Gefreiter mit sardonischem Lächeln, als unversehend eine Frau eintritt. "Haben Sie sich das gut überlegt", fragt der zuständige Karbol-Kanonier lauernd. "Draussen im Feld, da kann man nicht immer getrennte Umkleide ... und überhaupt ... die diensthabende Bataillonsgynäkologin ist in Rente." Die Frau verlässt missmutig den Raum. Dann kehrt wieder Stille ein. Ein Medizinalmarschall reinigt seine Fingernägel. Eine Fliege fällt tot von der Wand. Noch vier Stunden bis Feierabend. Und immer noch kein Krieg in Sicht.




Titel, Thesen, Temperamente
... altehrwürdige Titel und akademische Grade

1       Baron
Der Baron, der im deutschen Sprachgut ein Freiherr ist, besass einmal reichlich Musse, Ländereien, Vasallen und noch mehr Freifrauen. Es war das Männerparadies auf Erden. Heute müssen Freiherren täglich 16 Stunden ins Büro und abends neben der Kinderaufzucht auch noch Doktorarbeiten frisieren. Trauriges Angestelltenschicksal, allzu bekannt. Freie Herren gibt's nicht mehr.

2       Despot
Der Titel Despot wurde im 12. Jahrhundert vom byzantinischen Kaiser Manuel I. Komnenos als höchster Titel nach dem des Kaisers eingeführt. Mubarak und Gaddafi haben da etwas durcheinandergebracht. Also ab in die zweite Reihe!

3       König
Ob Dschungelkönige, Torschützenkönige, Wettkönige, Königskrabben, Burger King oder auch "Das König der Biere" - inzwischen gibt es in diesem Land mehr Könige als Untertanen namens Maier. Wer soll das alles gucken, fressen und dann noch verdauen?

4       Ballkönigin
Der österreichische Bauunternehmer Richard "Mörtel" Lugner gehört zum Wiener Opernball wie der Kopfschmerz zur Heurigenbesuch. Ein fideler Lustmolch, der regelmässig abgehalfterte Promi-Schicksen aufs Parkett führte. Doch mit der Einladung von Burlusconis Skandalnudel Ruby zum ersten Schwof hat Tanzbär Mörtel die Kelle zu voll genommen.

5       Lady
Lady Chatterley? Leider aus Papier. Die eiserne Lady? Leider verrostet. Lady Diana? Leider tot. Lady Gaga? Leider gaga. Bleibt nur noch der Lady Shaver mit extra langer Akkulaufzeit und hypoallergenen Scherfolien. Leider.

6       Pascha
Zäh hält sich das Gerücht unter gedemütigten deutschen Hausmännern, im nachbarlichen Migrationshintergrund würden die letzten Exemplare eines aussterbenden altehrwürdigen Adelsgeschlecht weiterleben. Die Paschas. Man erzählt sich wundervolle Geschichten von Männern, die nach Feierabend zum Übereinanderschlagen ihrer Beine die Hilfe einer ehelichen Assistentin in Anspruch nehmen. Tolle Kerle, die während der "Sportschau" nie den Müll rausbringen müssen. Wie gesagt: Ein schönes Gerücht (siehe Baron).

7       Prinz
Dieser Tage erschütterte uns die Titelstory über Frédéric Prinz von Anhalt. Um die Pflegekosten nach der Beinamputation seiner Frau Zsa Zsa Gabor zu bezahlen, habe der Prinz ihre Pelzmäntel verhökert. Ein Affront. Eine Zsa Zsa ohne Pelz ist so schlimm wie ein Prinz ohne Pietät.

8       Konsul
Erinnert sich eigentlich noch jemand an den (nicht mehr ganz so schönen) Konsul Weyer? Nein? Der Mann hat mit Titeln ein Vermögen gemacht. Auf seiner Website steht, der Titel Honorarkonsul koste inzwischen 200 000 Euro. Dann lieber doch einen gut erhaltenen Ford Consul, Baujahr 1975, für weniger als 10 000 Euro.

9       Fürstentum
War da nicht was mit mysteriösen Finanztransaktionen und schwarzen Konten?

10      Dr.jur.
Wenn's im Ellenbogen zieht, geht man am besten zum echten Arzt: Zum Dr.med. Als Kassenpatient zum Metzgermeister.
 

 

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