Die Kollegen, die diese
Kolumne bestreiten, werden oft gefragt: "Und, was macht
ihr sonst die Woche über?" Wir spielen Skat. Normalerweise
läufrt das so: Wer bis zum späten Freitagnachmittag vorne liegt,
darf schreiben. In einer Woche wie dieser, in welcher der Heitere
auf verlorenen Posten kämpft, lief alles anders. Diesmal traf
es den Verlierer.
Die Augen der Welt
waren auf Japan gerichtet. Was sie dort sahen, war wenig ermunternd,
ausser vielleicht der Erkenntnis, dass der gute alte Wasserwerfer
einen Wertewandel erfahren hat. Gestern noch dazu da, um Demonstranten
- wie der Franzose sagt - wegzukärchern, ist er plötzlich zum
Hoffnungsträger geworden, der durchgeknallten Kernreaktoren
das Licht ausblasen soll. Ausserdem wollen wir die Gelegenheit
nutzen, um der baden-württembergischen Landesregierung zu danken,
die in einer hoch kritischen Situation schnelle Reaktion und
Sensibilität bewiesen hat. Noch war die Katastrophe von Fukushima
nicht zu erahnen, da gab Ministerpräsident Stefan Mappus bekannt,
dass der Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs abgeschaltet
werde. Abschalten wird das Wort des Jahres.

Wenn
stündlich neue Katastrophenszenarien am Horizont auftauchen,
dann schlägt in der heutigen Zeit die Stunde der Live-Ticker.
Aber mal ehrlich, haben Sie es geschafft, ständig am Ball zu
bleiben.? Irgendwann lässt man man sich vom Alltag einholen
und steht plötzlich vor der Frage: Soll ich mich wirklich bei
Facebook anmelden?
Eine entfernte Bekannte
hat gemeint, ohne soziales Netzwerk drohe man zu vereinsamen.
Ich habe ihre Mail gelöscht. Nicht jedoch, ohne ihr zuvor zu
antworten, ich hätte keine Zeit für den Quatsch. Ich kommuniziere
von morgens bis abends mit der Welt. Wegen eines defekten Toasters
hänge ich ständig in der Hotline, mein Handyanbieter lässt mich
via SMS dreimal am Tag wissen, dass Simsen jetzt noch günstiger
wird, Almosen an Obdachlose überweise ich mittels Onlinebanking.
Mein Mitteilungsbedürfnis ist gestillt.
Die
entfernte Bekannte mat mich daraufhin als Zukunftsverweigerer
beschimpft und behauptet, in Facebook stünden bereits Bilder
von mir. Das mit den Bildern hielt ich für einen billigen Trick.
Als Mensch, der sich täglich rasiert, weiss ich, wie ich aussehe.
Dazu brauche ich kein soziales Netzwerk zu schauen. Und was
sollen das für Bilder sein? Fotos, die mich auf wilden Sexpartys
zeigen? Ich kann mich nicht erinnern, jemals auf einer Sexparty
gewesen zu sein, schon garnicht auf einer wilden. Und ganz sicher
auf keiner, auf der fotografiert wurde.
Was
mich wirklich traf, war der Vorwurf, ich sei ein Zukunftsverweigerer.
Ich verweigere mich der Zukunft nicht, ich habe vielleicht zu
wenig Zeit für sie, was damit zu tun hat, dass ich mit Vergangenheitsbewältigung
beschäftigt bin und mich bei meinem Handyanbieter für die letzte
SMS bedanken muss.
Ausserdem: Kann
man jemand als Zukunftsverweigerer bezeichnen, der weiss, dass
in einer Woche in Baden-Württemberg Landtagswahl ist? Im Gegensatz
zu den Facebook-Dödeln weiss ich sogar, wie sie ausgeht. Aber
ich posaune es nicht hinaus.
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