Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (20. März 2011)
 
   Manchmal hilft nur abschalten
 

   Die Kollegen, die diese Kolumne bestreiten, werden oft gefragt: "Und, was macht ihr sonst die Woche über?" Wir spielen Skat. Normalerweise läufrt das so: Wer bis zum späten Freitagnachmittag vorne liegt, darf schreiben. In einer Woche wie dieser, in welcher der Heitere auf verlorenen Posten kämpft, lief alles anders. Diesmal traf es den Verlierer.

   Die Augen der Welt waren auf Japan gerichtet. Was sie dort sahen, war wenig ermunternd, ausser vielleicht der Erkenntnis, dass der gute alte Wasserwerfer einen Wertewandel erfahren hat. Gestern noch dazu da, um Demonstranten - wie der Franzose sagt - wegzukärchern, ist er plötzlich zum Hoffnungsträger geworden, der durchgeknallten Kernreaktoren das Licht ausblasen soll. Ausserdem wollen wir die Gelegenheit nutzen, um der baden-württembergischen Landesregierung zu danken, die in einer hoch kritischen Situation schnelle Reaktion und Sensibilität bewiesen hat. Noch war die Katastrophe von Fukushima nicht zu erahnen, da gab Ministerpräsident Stefan Mappus bekannt, dass der Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs abgeschaltet werde. Abschalten wird das Wort des Jahres.



   Wenn stündlich neue Katastrophenszenarien am Horizont auftauchen, dann schlägt in der heutigen Zeit die Stunde der Live-Ticker. Aber mal ehrlich, haben Sie es geschafft, ständig am Ball zu bleiben.? Irgendwann lässt man man sich vom Alltag einholen und steht plötzlich vor der Frage: Soll ich mich wirklich bei Facebook anmelden?

   Eine entfernte Bekannte hat gemeint, ohne soziales Netzwerk drohe man zu vereinsamen. Ich habe ihre Mail gelöscht. Nicht jedoch, ohne ihr zuvor zu antworten, ich hätte keine Zeit für den Quatsch. Ich kommuniziere von morgens bis abends mit der Welt. Wegen eines defekten Toasters hänge ich ständig in der Hotline, mein Handyanbieter lässt mich via SMS dreimal am Tag wissen, dass Simsen jetzt noch günstiger wird, Almosen an Obdachlose überweise ich mittels Onlinebanking. Mein Mitteilungsbedürfnis ist gestillt.

   Die entfernte Bekannte mat mich daraufhin als Zukunftsverweigerer beschimpft und behauptet, in Facebook stünden bereits Bilder von mir. Das mit den Bildern hielt ich für einen billigen Trick. Als Mensch, der sich täglich rasiert, weiss ich, wie ich aussehe. Dazu brauche ich kein soziales Netzwerk zu schauen. Und was sollen das für Bilder sein? Fotos, die mich auf wilden Sexpartys zeigen? Ich kann mich nicht erinnern, jemals auf einer Sexparty gewesen zu sein, schon garnicht auf einer wilden. Und ganz sicher auf keiner, auf der fotografiert wurde.

   Was mich wirklich traf, war der Vorwurf, ich sei ein Zukunftsverweigerer. Ich verweigere mich der Zukunft nicht, ich habe vielleicht zu wenig Zeit für sie, was damit zu tun hat, dass ich mit Vergangenheitsbewältigung beschäftigt bin und mich bei meinem Handyanbieter für die letzte SMS bedanken muss.

   Ausserdem: Kann man jemand als Zukunftsverweigerer bezeichnen, der weiss, dass in einer Woche in Baden-Württemberg Landtagswahl ist? Im Gegensatz zu den Facebook-Dödeln weiss ich sogar, wie sie ausgeht. Aber ich posaune es nicht hinaus.
 

 

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