Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (17. April 2011)
 
   Das andere Geschlecht
 

   Wie die Zeit vergeht. Diese Woche jährte sich zum 25. Mal der Todestag von Simone de Beauvoir. Gemeinsam mit Inge Meisel, Johann Lafer und dem edelstahlgebürsteten Microwellengrill mit Umluftfunktion prägte die Pariser Intellektuelle wie keine zweite das Selbstverständnis der modernen deutschen Hausfrau. Ihre leider eng bedruckten und selten zu Ende gelesenen Bücher trugen dazu bei, die Frau aus jahrtausendealter Abhängigkeit vom Mann zu befreien. Doch was ist heute noch zu spüren vom kämpferischen Esprit der Beauvoir? Unsere Redaktion, bekannt für ihre emanzipatorischen Reportagen, femininen Horoskope und zart durchscheinenden Textspitzen, hat sich umgehört.


   
Heidi Klum: Wow! Simone de ... wer? Ist das dieser fetthaarige Wischmopp, den ich letztens aus meiner Show rausgeschmissen habe? Wow! Na, die hat kein Foto verdient. Neee! Wow! Die Trapeznummer hat die total versaut. Um es auf den Catwalk nach Paris oder zum Dirndl-Shooting zu schaffen, musst du als Model alles geben! Besser sein als wie die anderen! ÜBEN, ÜBEN, ÜBEN! Mädels, nehmt ein Beispiel an mir. Wow! Bloss nicht lesen, nie denken, täglich sechs Liter Wasser, Brust raus und zum Mittag ein Tic Tac! Wow! Hunger ist besser als wie Sex. Wow!

   
Alice Schwarzer: Ah, die Beauvoir! Ich kann mich noch genau an unsere erste Begegnung erinnern. Mai 1970. Ich hatte endlich einen Termin bei dem grossen Sexistenspezialisten Jean-Paul Satre! Interviewzeit: 30 Minuten zum Thema "Schielen oder revoltieren?" Und da lag ich nun in Satres Mansarde am Boulevard Raspail. Ich war noch jung, straff, offen für alles. Dann, kurz vor dem Ende des Gesprächs, dreht jemand den Schlüssel im Schloss und betritt den Raum: Es ist Simone de Beauvoir. Sie wirft einen irritierten Blick auf mich und meinen selbstgehäkelten, mittlerweise von einem glimmenden Gitanes-Stummel völlig ruinierten Minirock. Sie oder ich, denke ich, doch Satre entscheidet sich für die alte Schlampe. Feigling! Danach gründete ich "Emma" und trug nur noch blickdichte Strumpfhosen.

   
Kristina Schröder: Hören Sie, ich habe keine Zeit für Ihre seltsamen Fragen. Wenn Sie mehr Elterngeld wollen, sind Sie bei mir an der falschen Adresse, ich spende nämlich nix. Sie sehen doch, ich bin schwanger. Und blond. Und das ist das Wichtigste zurzeit. Ausserdem muss ich noch die Servietten bügeln, weil meine beiden verdammten Nannys noch ... huch, mein Mann kommt gleich nach Hause. Gehen Sie, schnell!

   
Thomas Gottschalk: Beim Dreh zu "Die Supernasen" hatte ich ein feministisches Erweckungserlebnis. Ich las "Das andere Geschlecht" von Simone de Beauvoir und erkannte: Ich bin eine zärtliche Lesbe, gefangen in einem männlichen Körper. Bald darauf verlies ich Mike Krüger und wurde erfolgreiche Talkshow-Moderatorin, anders als Sonja Zietlow. Ich kaufte Lockenwickler, trug Kleider wie aus Tausendundeiner Nacht, quatschte ohne Sinn drauflos und betatschte meine weiblichen Gäste. Als hybrides Wesen habe ich es geschafft, die gläserne Decke zu durchstossen. Dank Simone bin ich der letzte Trost für alle deutschen Sofafrauen mit Tränensäcken und flusigem Haar.
 

 

Zurück