Schön, dass wenigstens Sie
noch diese Kolumne lesen. Ich tu's schon lang nicht mehr. Ich
schreibe sie bloss und lasse sie mir am Wochenende von meinen
Kindern vorlesen. Am Telefon. Wir reden nur noch mit dem Telefon
miteinander. Zum einen hören Menschen am Telefon besser zu.
Zum anderen haben wir eine Flatrate. Was bezahlt ist, wird benutzt.
Es
ist schön, wenn einem seine Texte vorgelesen werden. Auf dem
Weg erfährt man wenigstens, was man die Woche über geschafft
hat. Dies wiederum hat dazu geführt, dass ich dazu übergegangen
bin, mich auf Vorlesesätze zu spezialisieren. Wenn mir selbst
keine Vorlesesätze einfallen, schreibe ich welche ab. "Spiegel
online" schrieb diese Woche: "Deutschland hat fünf
libysche Diplomaten ausgewiesen." Ein erstklassiger Vorlesesatz,
bei dem man sich natürlich sofort fragt, warum fünf? Waren die
nicht zu dritt, als sie auf ihren Kamelen aus dem Morgenland
zu uns kamen?
Vor dem Stuttgarter Landgericht
wird seit dieser Woche gegen einen 27-jährigen Mann ohne Berufsausbildung
verhandelt, der als falscher Arzt 161 Patienten behandelt haben
soll. Ist zwar etwas lang geworden, dieser Vorlesesatz, ich
glaube aber, sein Inhalt ist so brisant, dass er dennoch zum
Vorlesen taugt. In Ausübung seines nicht gelernten Berufs nannte
sich der Mann Dr. Sascha Schenk. Da es einige Zeit gedauert
hat, bis man dem Kerl den Doktorkittel aberkannt hat, würde
ich von einem Überzeugungstäter ausgehen.
Wie
dem Bericht in meiner Zeitung zu entnehmen war, hat der Angeklagte
inzwischen umgesattelt und versucht sich als Jurist. Er bemängelte,
dass mit nur zwei und nicht mit drei Berufsrichtern gegen ihn
verhandelt werde. Würde mich nicht wundern, wenn Dr.jur. Sascha
Schenk am Ende das Urteil gegen sich selbst spricht.
Falls
Ihnen diese Kolumne gefallen hat, sind Sie vermutlich selbst
schuld. Dann haben Sie den Text nicht laurt gelesen. Vielleicht
aber liegt es auch an mir, und ich hätte mich nicht als Kolumnist
ausgeben sollen.
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