Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (24. April 2011)
 
   Gute Führung
 

   Wie jeder Lohnabhängige, der ein gewisses Lebensalter auf dem Buckel hat, kann ich von mir sagen, dass ich schon einige Chefs überlebt habe. Das Verhältnis zu meinen Chefs ist mit friedlicher Koexistenz treffend umschrieben, würde ich rückblickend behaupten. Unter manchen Chefs habe ich gelitten. Manche Chefs haben unter mir gelitten. Wir haben uns stets wie gestandene Eheleute im Guten getrennt.

   Einem meiner früheren Chefs bin ich vor einiger Zeit auf einer Demo begegnet. Ich erzähle dies in der Hoffnung, dass es hilft. Hat mir mein Therapeut geraten. Manches Trauma, hat er gesagt, könne man verhindern, indem man darüber spricht. Zwar bin ich mit meinem Ex, also als er noch mein Chef war, hin und wieder aneinander geraten. Nie aber hat mir ein Treffen mit ihm dermassen zu schaffen gemacht. Zwei Männer, zwei Gehaltsklassen, zwei Weltbilder. Damit konnte ich leben. Nun standen wir auf einer Seite, traten für dieselbe Sache ein. Früher hätte ich mich mit der Begründung herausreden können, dass ich es meiner Karriere wegen tue. Und nun?

   Die Vorstellung, dass wir jetzt Kampfgenossen sind, macht mir zu schaffen. In so einer Situation greift man nach jedem noch so schmalen Strohhalm. Fürs Erste muss ein Artikel genügen, den "Spiegel online" diese Woche veröffentlicht hat. Unter der Überschrift "Wann Sie überlastet sind, bestimme ich" brachte der Internet-Ableger des Nachrichtenmagazins Sprüche von Chefs. Herrlich, was Führungskräfte in ihrer Wut vom Stapel lassen! Am besten hat mir gefallen, was ein Menschenschinder aus einer Werbeagentur einer Mitarbeiterin bei Gehaltsverhandlungen gesagt haben soll: "Sie können mit ihrem Gehalt keine zwei Kinder ernähren? Dann muss eben eins sterben."

   Ich habe noch von keinem meiner verflossenen Chefs einen solchen Spruch gehört. Es könnte also sein, dass meine bisherigen Chefs gar keine richtigen Chefs waren (was das Demo-Erlebnis erträglicher macht).

   Seit dieser Woche habe ich einen neuen Chef. All meine Hoffnung ruht auf diesem Mann.
 

 

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