Jahrtausendelang glaubten
zahllose Menschen, ihr Gott sei ein gütiger, älterer Herr mit
einem langen Bart. Ein rätselhaftes Wesen mit übernatürlichen
Kräften, das uns leitet, richtet und hoffen lässt. Gottes Herrlichkeit
liess sich nicht in Zahlen fassen, kein Statistiker hat je herausbekommen,
wie alt Gott tatsächlich ist, wie viele Quadratmeter seine Eigentumswolke
hat und ob er einen Moslem als Untermieter beherbergt. Um Gott
zu berechnen, brauchte es lediglich eine Zahl: Die Eins. Denn
Gott sei, so steht es in der Bibel, einzigartig (5. Buch Mose,
6,4). Alles andere war heidnischer Zahlensalat.
Doch
dann kamen Friedrich Nietzsche ("Gott ist tot") und
Joseph Ackermann ("Gott ist 25 Prozent") und erschütterten
die Grundfesten unserer einfachen Glaubensalgebra. Seither sind
die Menschen geradezu besessen von Quoten, Punkten und Prozenten.
Gott ist nach Meinung vieler eine Zahl mit unendlich vielen
Nullen.
Man zählt unaufhörlich: Seine
Facebook-Freunde, die Pfunde seiner Frau, die unbezahlten Überstunden.
In Gelsenkirchen wurde diese Woche eine Marienerscheinung gemeldet,
als die Ablösesumme für Manuel Neuer bekannt wurde: 50 Millionen!
Eine Summe, die höher und mächtiger ist als das Bruttosozialprodukt
von Griechenland und Burkina Faso zusammen. Noch grösser ist
nur - wenn man den groben Schätzungen der "Bild"-Zeitung
Glauben schenken darf - die Anzahl der geschobenen Nummern des
Millionenerben und Erotikmathematikers Gunter Sachs (Siehe Bild).
Ihm verdankt die Nachwelt auch die Liebesformel X+Y+Z=100. Um
herauszubekommen, was es mit dieser pikanten Gleichung auf sich
hat, haben wir den letzten lebenden Playboy unseres Hauses beauftragt,
eine investigative, verlebte Null aus der Horoskopredaktion.
Das Recherche-Ergebnis war prompt in der Endrunde für den Egon-Erwin-Kisch-Preis
für die beste Zahlenkolonne.

Auch
will man selbst gezählt werden. Unbedingt. Vorbei die seligen
Zeiten, als man sich nach ein bisschen metaphysischer Kaminwärme
in einer intransparenten Reiheneckhausexistenz am Rande der
Stadt sehnte und gegen Volkszählungen auf die Strasse ging.
Heute träumen die jungen, zahlenverrückten Leute von einer kuscheligen,
bezahlbaren Feldunterkunft mit Parkett und Stuck in einer bezahlbaren
Excel-Tabelle.
Und wer noch keinen
Besuch hatte von den Zensus-Jüngern, beginnt erst die Stunden,
dann die Tage zu zählen (so wie Guido Westerwelle), schliesslich
führt man zerknirscht Selbstgespräche und leidet bald schon
an einer bipolaren Störung mit Zahnfleischbluten. Was gut ist,
schliesslich ist man heutzutage ein Niemand, wenn man nicht
mindestens zwei oder noch mehr Identititäten aufweisen kann.
So wie Lady Gaga. Oder Uli Hoeness.
Doch
Religionskritiker warnen bereits: Nicht jeder dahergekommenen
karrieristischen Zahl soll man blindlings glauben, Zahlen seien
auch nur Schall und Rauch. Zum Beispiel ergeben drei Juristen
plus drei Promotionen nach Adam Riese noch lange keine drei
Doktortitel, sondern exakt zwei Plagiate und einen Rücktritt.
Wer's nicht glaubt, der kann ja nachzählen.
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