Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (07. August 2011)
 
   Entweder und oder
 

   Hereinspaziert, meine Damen und Herren, diese Kolumne hat für alle etwas zu bieten! Hier wird jeder mitgenommen - in unserem ebenso geräumigen wie leistungsstarken Elektromobil. Vorbei sind die Zeiten, als man sich entscheiden musste zwischen Regen und Traufe, zwischen Pest und Cholera, zwischen Kommunismus und Kapitalismus. Streichen Sie nicht nur das Wort "alternativlos", streichen Sie auch das Wort "Alternative". Heute können wir alles haben, denn wir leben in einer Welt des Sowohl-als-auch.

   Entweder? Oder? Das ist Vergangenheit. Heute gilt: Entweder und oder. In diesem Text vermischen sich Shampoo und Spülung, versöhnen sich Ökologie und Ökonomie, verbündet sich der Geschirrreiniger mit dem Klarspüler, und wir bauen gemeinsam einen hochmodernen Kopf-Tief-Bahnhof mit Hochgeschwindigkeit-Fahrradwegen und einem Freigehege für zeltende Parkschützer. Stuttgarter Allerlei - und alles auch noch kostenlos!

   Jaja, wir hören schon die Bedenkenträger. Man könne nicht alles haben, sagen sie, mann müsse Prioritäten setzen, sich irgendwann mal entscheiden und könne jeden Euro nur einmal ausgeben. Solche Menschen spalten unsere Gesellschaft. Sie haben nicht begriffen, dass unsere Zivilisation eine neue Stufe erreicht hat. Wir wollen nicht den totalen Krieg, wir wollen den totalen Geissler. Heute so, morgen so. Die Bürger sind es leid, über Alternativen zu diskutieren. Sie wollen sowohl das eine wie auch das andere. Die eierlegende Wollmilchsau - es gibt sie tatsächlich! Wir müssen sie nur finden wollen - und dann natürlich artgerecht halten. Ehrensache.



   Die Industrie hat uns vorgemacht, wie es geht. Heutzutage gibt es Handys, mit denen man zugleich navigieren, intrigieren und bezahlen kann. Wir haben Shampoos im Bad stehen, die auch Pflegespülung enthalten. Wash und go! Two in one! Es gibt mittlerweise Spülmaschinen-Tabs, die nichtt nur Reinigungsmittel, sondern gleich auch noch Klarspüler, Entkalker und weitere Zaubermittel enthalten. Das sind Mehr-Komponenten-Lösungen, von denen wir in Zukunft viel mehr brauchen. Ist der Kompromiss nicht das Ziel jeder demokratischen Debatte? Was ist ein Kompromiss anderes als Wash and go? Was unterscheidet eine Volkspartei von einem Spülmaschinenmittel-Tab? Im Grunde gar nichts!

   Jene, die sagen, solche Lösungen seien weder Fisch noch Fleisch, mit denen reden wir nicht. Solche Menschen essen auch tote Tiere. Jene, die meinen, alles auf dieser Welt habe seinen Preis, denen rufen wir zu: Stimmt doch gar nicht, im Universum gehen keine Energie und keinen Cent verloren! Wo sind sie denn, die Stromausfälle nach dem Atomausstieg? Was ist denn nun mit den Staatspleiten, weil wir angeblich über unsere Verhältnisse leben? Alles Panikmache.

   Uns geht es gut, dies ist eine wunderbare Welt. Wir werden ein neues Leben beginnen, aber das alte behalten. Wir werden aus dem Kreis ein Quadrat machen, allerdings ohne die hässlichen Ecken und Kanten. Wir üben jeden Tag Verzicht, aber es wird uns nichts fehlen. Und abends trinken wir dann ein leckeres Krombacher-Bier und retten damit ein Stück Regenwald.

 

 

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