Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (30. Oktober 2011)
 
   Wir gehen einen hebeln
 

   Diese Woche sind die EU-Staats- und Regierungschefs einen hebeln gegangen. In einer Nacht- und Hebel-Aktion bliesen sie den Euro-Rettungsschirm um das Vierfache auf, ohne auch nur einen Cent zusätzlich an Steuergeld auszugeben. Eine Billion Euro sind jetzt im Feuer, und alle tanzen drum rum. Hoch lebe der Hebel! Wie sie sich danach auf die Schultern klopften! Sogar die SPD fand für die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobende Worte. Kein Wunder, heisst doch einer der Mitbegründer der stolzen Partei August Hebel - oder so ähnlich.



   Fachleute haben zwar erhebliche Bedenken gegen die wundersame Geldvermehrung. Unter anderem fragen sie, warum die Politik nun einen dieser doch eigentlich verpönten Finanztricks anwenden, mit denen die Banken früher viel zu grosse Räder drehten. Ist das nicht arg riskant? Wird da nicht auf dem ohnehin schon gramgebeugten Rücken des Steuerzahlers herumgehebelt? Eine derartige Kritik mag zutreffen, ist aber letztlich für die Beteiligten unerhebelich. Die Politik versucht nun einfach in ihrer Verzweiflung, die Finanzmärkte mit deren eigenen Waffen zu schlagen. Wollen wir mal sehen, wer am längeren Hebel sitzt.

   Es liegt in der Natur des Hebels, dass seine Wirkungsweise für Laien ähnlich schwer verständlich ist wie so manche Worte des grossen Philosophen Georg Wilhelm Hebel (1770-1831), der vielleicht auch Hegel hiess, jedenfalls aber mal zu Protokoll gab: "Es ist von dem Absoluten zu sagen, dass es wesentlich Resultat, dass es erst am Ende das ist, was es in Wahrheit ist; und hierdrin eben besteht seine Natur, Wirkliches, Subjekt oder Sichselbstwerden zu sein." Tja, klingt doch ein bisschen nach einer parlamentarischen Beschlussvorlage zur Euro-Rettung, wenn nicht gar nach einer dieser seltsamen Merkel'schen Regierungserklärungen.

   Man muss keine Physikerin sein wie Frau Merkel, um über Hebel mitreden zu dürfen. Jeder, der schon eine Bierflasche mit dem Feuerzeug aufgemacht hat, weiss, worum es geht. Wir stellen uns einfach eine Wippe auf einem Kinderspielplatz vor. Auf der einen Seite sitzt - sagen wir mal - ein dicker Grieche, auf der anderen Seite sitzt der kleine, zierliche deutsche Michel. Damit die beiden trotz des Gewichtsunterschieds miteinander wippen können, muss der Grieche möglichst weit in die Mitte rutschen, und der deutsche Michel muss sich sehr weit zurücklehnen - so weit, dass er beinahe herunterfällt. Das ist natürlich gefährlich, kann aber eine Zeit lang gutgehen.



   So ein Hebel entfaltet unheimliche Kraft, man kann damit sogar die Zahl der EU-Gipfel verdoppeln. Zweimal innerhalb weniger Tage mussten sich die Euro-Retter in Brüssel treffen und zäh verhandeln. Beim Hebeln gilt halt das goldene Gesetz der Mechanik: Was man an Kraft spart, muss man an Weg zusetzen. Und es entsteht immer Reibung, so dass stets ein bisschen Kraft verloren geht.

   Wir könnten jetzt noch darüber philosophieren, ob all die krampfhaften Versuche, den Euro-Raum zusammenzuhalten, nicht im Grunde ein gigantisches Schneeballsystem darstellen, bei dem die Jüngeren die Gekniffenen sein werden. Aber das hebeln wir uns für den nächsten Rettungsgipfel auf.
 

 

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