Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (13. November 2011)
 
   Nach Muttis Art
 

   Falls Sie dieser Woche vor lauter Sternen den Hochnebel aus den AUgen verloren haben, Hatte das womöglich diese Ursachen: a) Sie kommen gerade vom Pokern aus Las Vegas und heissen nicht Pius Heinz, b) Sie haben nei Ihrem Lieblings-Griechen aufgrund von spontanen Rachegelüsten lediglich die Hälfte der Rechnung bezahlt und sind dann neben der Mülltonne aufgewacht, c) Sie blättern unentwegt sabbernd und augenkullernd im frisch erschienenen "Guide Michelin", der Bibel der Spitzengastronomie und der Welthungerhilfe.

   Hmmm. Ooh. Deutschland kann sich nämlich eines neuen Drei-Sterne-Kochs und zahlreicher Zwei-Sterne-Restaurants rühmen, heisst es. Quelle surprise in diesem nebulösen Zeiten! Man spricht gar von einer Goldenen Genration der Jungköche in diesem Land, von einer Demokratisierung des guten Geschmacks. Man ist wieder wer in den Fresstempeln Cannes', Athens, Roms. Vorbei die barbarischen Zeiten, als dieses Volk sich bei plötzlichen Hungerattacken gleich ganze Nationen einverleibte und ganz Europa mit einem einzigen Rülpser aushauchte, kulinarisch aber zwischen einem verrottenden Rübenstrunk und einem lehmigen Soldatenstiefel nicht zu unterscheiden wusste. Damals wurde eben gegessen, was auf den Tisch kam.

   Damals. Heute aber hört man es aus allen Ecken kultiviert dampfen. Stöhnen. Schmatzen. Schnäbeln. Schäumen. Brutzeln. Und hacken. Wer seine Finger unbeaufsichtigt neben dem Schreibtisch herabhängen lässt, findet sie am folgenden Tag in der Kantinenboullion wieder. In den Stadtparks beobachtet man rüstige Rentner, wie sie frisch entlassenden Investmentbankern sautierte Jakobsmuscheln in die weit aufgerissenden Schlünde werfen. Nach einer Umfrage des Maggie-Kochstudios träumt mittlerweise jeder dritte Deutsche von einer heissen Nacht (220 Grad, Oberhitze) mit Johann Lafer, jeder zweite von frittierten Schnurrbärten mit Schnittlauchresten. Und wir? Wir haben das aromatischste Rezept der Woche für Sie nachgekocht.

   Aber --- Vorsicht beim Anlesen, sie glühen noch! Die folgenden Zeilen. Wir haben sie brühwarm aus der Redaktionspfanne flutschen lassen. Autsch! Berliner Allerlei nach Muttis Art. Das Rezept - so einfach wie unverdaulich. Wir haben es von Angela Merkel, einer talentierten Topköchin aus der gerade angesagten proletarisch angehauchten Bulettenszene der Hauptstadt. Ihre Sterne verdankt die Meisterin einer raffinierten Technik: Dem poltischen Vakuumverdampfer. Dafür nehme man einen giftig gewürzten Brei aus utopischen Versprechungen und halbgaren Vereinbarungen und brät diese unappetitliche Masse monatelang beidseitig schwarz-gelb, bis in der verängstigten Mitte ein knuspriger Kompromissknuppel aufscheint. In das pikante Koalitionssoufflé träufelt man schliesslich eine verführerisch duftende Reduktion, ein paar Tröpfchen nur, den Hauch eines Nichts. Als Garnitur empfehlen wir saisonales Gemüse, einige rötliche Stinkmorcheln auf einer galliggrünen Brennnessel-Jus. Über dieses herzhafte Sterne-Mahl freut sich die ganze Familie, sofern Sie noch eine nach dem kommenden Steuerbescheid ernähren können. Falls nicht, beantragen Sie eine Herdprämie. Voilá.
 

 

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