Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (12. Februar 2012)
 
   So grillen Sie sich durch den Winter
 


   Nicht nur bei Anwälten, Chirurgen und Menschenhändlern gibt es Angeber, auch bei Journalisten. Ein journalistisches Grossmaul ist leicht zu erkennen, wenn man fragt: "Und, was liest du gerade." Angeber sagen: "Das bisschen, das ich lese, schreibe ich selbst."

   Dass man Texte, die man verfasst, auch liest, ist von Vorteil, aber nicht zwingend notwendig. Ich bin unlängst auf einen zwei Jahre alten Text von mir gestossen, der mir völlig fremd war. Ich habe den Text im Kollegenkreis herumgeschickt, aber keiner wollte es gewesen sein. Nicht mal zu Guttenberg, ein alter Kumpel aus aristokratischen Tagen, nahm die Urheberschaft an. Vermutlich habe ich vergessen, den Text beim Schreiben zu lesen.



   Die meisten von mir verfassten Texte lese ich aber schon. Und ich lese Fremdtexte, etwa die, die meine Kollegen an dieser Stelle schreiben. Oft stosse ich auf Erbauliches, Tiefgründiges, ja sogar Heiteres. Allerdings ist mir aufgefallen, dass wir in letzter Zeit eine journalistische Spielart vergessen haben: Den Service, die praktische Lebenshilfe.

   Keiner hat ein Wort darüber verloren, wie man das Profil eines abgefahrenen Winterreifens unter Zuhilfenahme eines Schweizer Taschenmessers oder eines polnischen Spargelschälers für die kalte Jahreszeit fit machen kann. Oder wie man den beim Kaltstart strauchelnden Wagen mittels Herzschrittmacher zum Laufen bringt. Noch istz nichts verloren. Deshalb muss ich Sie fragen: Wie halten Sie es mit dem Wintergrillen?

   Wintergrillen, habe ich in einer auf Lebenshilfe abonnierten Publikation gelesen, sei im Trend. Bevor ich ins Detail gehe, eine Begriffserklärung. Wintergrillen ist nicht die Bezeichnung für eine in der Winterdämmerung zirpende Insekten. Wintergrillen meint auch nicht die schrillen Laute, die man an Ski- und Rodelhängen vernehmen kann. Unter WIntergrillen versteht man das aushäusige Erhitzen von Lebensmitteln mittels Feuer.

   Wintergrillen ist ein Faszinosum. Ein Spiel der Gegensätze, ein Kampf der ELemente. Von oben droht erbarmungslos Väterchen Frost. Von unten Höllenglut. Mittendrin ein armes Würstchen. Aber halt! Wir wollen unsere vegetarischen Freunde nicht ausgrenzen. Wintergrillen kann man auch mit Orangen, Gurken, Grünkernbratlingen. Wer's mag.



   Der schönste Moment beim Wintergrillen ist, wenn der Grillmeister das angekokelte, fetttriefende Grillgut ins Warme bringt, wo eine alkoholisch dampfende Meute es mit einem launigen "Wird auch Zeit, du lahme Ente!" empfängt. Hinweis für anonyme Alkoholiker: Wintergrillen geht auch ohne Feuerwasser. Ihr solltet euch aber für den Grillabend Namen geben. Hebt die Stimmung.

   Falls Sie beim Anfachen Ihres Wintergrillfeuers Probleme haben sollten - macht nichts. Wir gehen Ihnen gerne mit einem Printprodukt aus nachwachsenden Rohstoffen zur Hand. Einfach Ihre Sonntagszeitung unter die Holzkohle schieben, brennendes Streichholz dranhalten, fertig. Aber bitte erst, nachdem Sie diese Kolumne ausgeschnitten und im Goldrahmen aufs Klo gehängt haben.

   Grössenwahnsinnigst, Ihr Autor.
 

 

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