Also, ich an Ihrer Stelle
würde heute gar nichts glauben. Kein Wort. Heute ist 1. April.
Da wird gescherzt, dass sich die Balken biegen. Selbst bei Säulen
der deutschen Medienlandschaft wie der Tageszeitung kann man
sich am 1. April nicht sicher sein, ob einem unter dem Deckmantel
der Seriosität nicht ein Aprilscherz untergejubelt wird. Ich
weiss nichts und möchte nichts verraten. ber die Ergebnisse
der Fussball-Bundesliga sind ein gefundenes Fressen für Aprilscherzkekse.
Ich
kann nicht ausschliessen, dass es heute auf sämtlichen Seiten
Ihrer Tageszeitung so zugeht wie sonst an dieser Stelle. Deshalb
haben wir uns gedacht, es wäre originell, sich dem sich durchs
Blatt ziehenden humoristischen Mainstream zu entziehen und diese
Kolumne am 1. April zur garantiert aprilscherzfreien Zone zu
erklären.
Vor mir liegen die kürzlich
bei Suhrkamp erschienenen Briefwechsel des Dichters Paul Celan
mit "den rheinischen Freunden", namentlich den Herren
Heinrich Böll, Paul Schallück und Rolf Schroers. Allesamt hatten
sie sich der Schriftstellerei verschrieben. Da kann man sich
denken, dassd a viel gebriefwechselt, aber wenig gescherzt wurde.
Am 22.08.1956 beispielsweise schrieb Schroers aus dem nordrheinwestfälischen
Flecken Obenroth an den im französischen Rochefort-en-Yvelines
weilenden Celan: "Lieber Paul, die Arbeit frisst mich auf.
Gestern sass ich hier bis 2.00 nachts mit unserem Hersteller
an der Verlagszeitschrift, und wenn auch nicht so arg, es geht
doch dauernd bis zur völligen Ermüdung."
Manchmal
fragt man sich, ob der Briefschreiber nur den Adressaten im
Blick gehabt hat? Oder ob er dachte: Ach, das schreib ich jetzt
einfach mal so hin, dass die Nachwelt sich darüber den Kopf
zerbricht und was zum Editieren hat.

Je
länger man als schreibender Mensch in dem gut 770 Seiten starken
Werk blättert, desto mehr kommen einem Zweifel an der eigenen
Lebensführung. Wann hat man, vom Lohnsteuerjahresausgleich abgesehen,
zuletzt selbst etwas zu Papier gebracht, das es wert war, zur
Post getragen, frankiert und verschickt zu werden? Was wird
von einem selbst an Schriftlichem bleiben? Zwei, drei Sprüche
auf Facebook? Ein launiger Twitter-Eintrag? Eine an den Steuerberater
fehlgeleitete E-Mail, die eigentlich für dessen Gattin bestimmt
war?
Zurück zum guten Buch. Das Auge
bleibt auf einer Zeittafel hängen, Seite 712. Man erfährt, dass
der Dichter Celan 1967 nach einem misslungenen Suizid und einem
Mordversuch an seiner Frau, der Künstlerin Gisèle Celan-Lestrange,
in eine psychiatrischen Klinik eingewiesen wurde. Im selben
Jahr tritt der Schriftsteller Schroers in die FDP ein.
An
jedem anderen Sonntag im Jahr hätten wir das in dieser Kolumne
zum Anlass übler Scherze genommen. Wir hätten uns gefragt, wer
mehr dem Wahnsinn verfallen war. An jedem Sonntag hätten wir
das getan. Nur heute nicht.
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