Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (02. September 2012)
 
Wann sind endlich wieder alle da?
 

   Es gibt wundervolle Berufe auf dem globalen Arbeitsmarkt. Wer gern Massanzüge trägt, gut trainiert ist und nicht davor zurückschreckt, hin und wieder die Welt zu retten, kann sein Glück als doppelte Null beim britischen Geheimdienst versuchen. Auch die Karriere als Verwaltungsangestellter im öffentlichen Dienst mag für viele nicht ohne Reiz zu sein, selbst wenn die Weltenrettung hier eher unspektakulär und im Kleinen vor sich geht.

   Jenseits solcher persönlichen Kriterien gibt es eine Tätigkeit, die alle schönen Berufe in den Schatten stellt. Es ist der Beruf des Kolumnisten in unserer Redaktion. Ausser während der grossen Ferien. Da wird der Job zur Qual.



   Nicht selten merkt man das den Ausscheidungsprodukten eines Autors an, wobei der sich früher aus der Affäre ziehen konnte, indem er sich aufs Sommerloch berief. Gesehen hatte das Sommerloch noch niemand, aber mit dem Sommerloch verhält es sich ähnlich wie mit dem lieben Gott. Dass man etwas noch nicht gesehen hat, beweist noch lange nicht, dass es nicht existiert. Leider lässt sich die Legende vom Sommerloch in diesen vernetzten Zeiten kaum aufrecht erhalten. Das Netz ist so engmaschig und der Informationsfluss so unaufhörlich, dass einem keiner mehr ein Sommerloch abkauft.

   Man hätte diese Woche etwas darüber schreiben können, dass eine 98-jährige Urlauberin aus Bayern auf dem 240 Kilomter langen Weg zu ihrem Campingurlaub in Waldshut-Tiengen kurz vor dem Ziel die Orientierung verloren hat. Oder darüber, dass sich der britische Popsänger Robbie Williams neuerdings nicht mehr für Aliens interessiert. Oder darüber, dass die Mehrzahl der deutschen Autofahrer der Meinung ist, die grössten Verkehrsrowdys in einem schwarzen BMW sitzen.



   Alles wunderbare Themen, zu denen einem jederzeit etwas eingefallen wäre. Womöglich wäre es einem sogar gelungen, die Meldungen unter einen Hut zu bekommen, und am Ende wäre Robbie Williams von eienm 98-jährigen aus Bayern stammenden weiblichen Alien angefahren worden, der auf einem Campingplatz in Waldshut-Tiengen die Orientierung verloren hatte.

   Warum aber sollte einem so etwas einfallen? Ist doch eh keiner da. Warum sollte man in den Schulferien einen halbswegs originellen Gedanken fassen, wo man doch davon ausgehen muss, dass das Gros der Leserschaft gerade auf einem Campingplatz in Waldshut-Tiengen abhängt - und sich fragt, woher es eigentlich den Typen kennt, der da von einem 98-jährigen Alien in einem schwarzen BMW angefahren wurde. In der Zeit der kollektiven Abwesenheit fällt Menschen mit Sendungsbewusstsein das Schaffen schwer.



   Ein Leser wollte wissen, ob ich "Ökourlaub mit Fahrrad und Balkon" mache. Ja, habe ich geantwortet. Egal, wohin ich verreise, das Fahrrad und der Balkon kommen immer mit. Ich frage mich, ob die die Pointe nicht zu gut. Wo doch alle weg sind.
 

 

Zurück