Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (11. November 2012)
 
Unter Agenten
 

   Der erfolgreiche Start des neuen James-Bond-Films hat die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Branche der Geheimdienste gelenkt. Deren Agenten haben einen harten Job und durchlaufen eine gnadenlose Auslese. Genommen wurden lange Zeit nur Männer mittleren Alters ohne Hauptschulabschluss, die ihr rechtes Auge verloren hatten und stundenlang, ohne sich zu bewegen, in einer türkischen Teestube ausharren konnten, um die staatsfeindlichen Umtriebe der Gemüsehändler zu beobachten. Sie mussten zudem in der Lage sein, in einer fremden Hotelbadewanne auf den Grund zu tauchen und auszuharren, bis die Bar öffnet. Dort hielten sie sich drei Stunden lang an einem handgeschüttelten Glas stillen Wasser fest. Diejenigen, die über dieser Tätigkeit einnickten, bezeichnet man als Schläfer.

   Heute müssen Geheimagenten vor allem die Praxis des Abhörens genau beherrschen: Dabei werden Brustraum, Zwerchfell und Verdauungstrakt feindlicher Geheimnisträger auf verschluckte USB-Sticks abgehört. Zur Grundausstattung der Agenten gehört eine hellbeige Windjacke, in die bis zu zehn falsche Monatskarten für den öffentlichen Nahverkehr, ein Gutschein für das Schleudertraining auf dem ADAC-Verkehrsübungsplatz und ein Stadtplan von Bad Münstereifel eingenäht sind.

   Auch unsere Redaktion hat Agenten im EInsatz, ohne die diese Kolumne undenkbar wäre. Sie nutzen eine Verschlüsselungstechnik, bei der allen staatlichen Kontrollgremien ein X für ein U vorgemacht wird. Einige von ihnen haben wir mit unseren Drohnen in den Luftraum über den Stammtischen geschossen. Was sie dort an subversiven Umtrieben erleben, ist so grauenhaft, dass es der Geheimhaltung unterliegt.



   Unsere Agenten waren bei den wichtigsten nachrichtendienstlichen Operationen dervergangenen Jahre beteiligt. So schoben sie dem damaligen bayrischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber jenes Glas Dunkelbier unter, das zur legendären Flughafenrede ("wenn Sie Frankfurt sich ansehen, dann werden Sie feststellen, dass zehn Minuten Sie jederzeit locker in Frankfurt brauchen, um ihr Gate zu finden") und schliesslich zu seinem Sturz führte. Jan Ullrich wurde von uns mit illegalen Nutellabroten versorgt und in die Abhängigkeit getrieben. Eine in unseren Labors handgeknetete Puppe schaffte es sogar bis an die Spitze der FDP. Und dann der Einsatz in der Schreibstube einer bulgarischen Kaserne: Dort liessen wir uns einschliessen, um die Kaliber der getrunkenen Wodkaflaschen auszuspionieren! Darüber dürfen wir aber nicht reden, sondern müssen gegenüber Leseren und Kollegen so tun, als seien wir Bilanzbuchhalter einer Schraubenfabrik.

   Übrigens enthält auch diese Kolumne eine geheime Botschaft. Schneiden Sie alle Buchstaben aus, und schütteln Sie sie gut durch. Nicht rühren! Mit dem Canaris-Code, den Ihnen ihr pensionierter Geschichtslehrer gerne erklärt, stossen Sie auf genauere Anweisungen. Beim nächsten Treffen erkennen Sie uns an der hellen Windjacke.
 

 

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