Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (03. Februar 2013)
 
Schweigen
 

   Entschuldigung, meine Damen, meine Herren, dass ich heute mit einem Thema zu Ihnen komme, von dem Sie die Nase voll haben dürften. Sorry, aber es muss sein. Wenn ein ehemals starkes Geschlecht am Boden liegt, können wir in dieser auf Ausgleich und Gerechtigkeit bedachten Kolumne nicht achtlos darüber hinweggehen.

   Nehmen wir nur mal unseren Arbeitsalltag ins Visier und schauen in ein x-beliebiges Büro, wo man die Depression förmlich riechen kann. Geknickte Männer schleichen schweisselnd durch die Flure. Biegt eine Frau ums Eck, sucht der Männerblick am Boden Halt. Jetzt nur nichts Falsches sagen, nichts Falsches denken. Franz-Josef Wagner, der Genossenpoet von "Bild", hat den Gemütszustand des einst stolzen deutschen Hengstes auf den Punkt gebracht: "Ich bin deprimiert, unsicher, habe Angst, ein Brüderle zu sein."

   Sind wir wirklich so übel, wie Frau Schwarzer seit 80 Jahren behauptet? Oder gibt es Frauen, die uns ebenbürtig sind? Ich wollte es wissen und startete auf einer Facebook-Pinnwand, wo ich unter einem Decknamen publiziere, eine Umfrage. Männer, die sich schon einmal sexuell belästigt gefühlt haben, sollten sich melden. Das Schweigen der Männer war unerträglich, eine Frau, die sich als Hündin ausgab, schrieb: "Wenn wir unserem Briefträger an die Wäsche gehen, ist das dann auch sexuelle Belästigung?"

   Die Sexismusdebatte ist anstrengend, aber sie hat auch etwas Gutes: Viele Männer denken nun nach, bevor sie etwas sagen. Am Mittwoch ist mir auf dem Flur eine junge, attraktive Frau in einem eng anliegenden, nicht unvorteilhaften Kleid begegnet. Früher hätte ich gesagt: "In diesem Kleid würden Sie auch in ein Dirndl passen." Ich dachte an Brüderle. Und schwieg.

   Gut für die Frau, schlecht für mich. Ein blöder Spruch und eine sauber getimte Entschuldigung können Wunder wirken. Ich fürchte, wir müssen uns was Neues einfallen lassen.

 

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