Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (17. Februar 2013)
 
Hai, Hirsch bricht die Sprachsteuerung
 

   "Es ist spät, geh bitte ins Bett, ich möchte jetzt meine Ruhe", sagte ich zu meiner Tochter (12). "Aber natürlich", säuselt sie und geht in ihr Zimmer. Ist das nicht schön? Man sagt etwas, und es wird gemacht. Man wird verstanden. Ich bin positiv überrascht. Kinder, die aufs Wort gehorchen - das gibt's doch eigentlich gar nicht mehr. Früher, ja, da haben die Kindern ihrhe Eltern noch gesiezt. Da herrschte noch Zucht und Ordnung. Heute hingegen ist jedwede Form des Gehorsams nur noch irritierend: Was ist bloss mit meiner Tochter los?

   Egal, ich muss jetzt noch ein paar SMS verschicken. Dazu brauche ich absolute Ruhe. Ich tippe die Kurznachrichten nämlich nicht in Windeseile in mein Handy ein, wie das Kanzlerin Merkel so wunderbar kann. Ich nutze die Sprachsteuerung, ich spreche in mein Mobiltelefon, als würde ich telefonieren. Frau Merkel würde das bestimmt auch gerne machen, aber die ist ja ständig in Sitzungen. Da kann sie nicht in ihr Händie murmeln, das wäre unhöflich. Mache ich beim Sprechen eine längere Pause, fängt das Handy an, meine Worte zu verarbeiten. Das dauert ein bisschen, das läuft übers Internet. Ich stelle mir vor, dass das Gesprochene in irgendein Billiglohnland geschickt wird, wo eine unbekannte Schreibkraft es dann zu Papier bringt und mir zurückschickt. Wahrscheinlich läuft es anders, aber ich interessiere mich nicht so für Technik. Mein Mobiltelefon soll ruhig auch seine Geheimnisse haben.



   Ich diktiere eine SMS an meine Frau. Die macht sich gerade mit Freundinnen einen schönen Abend, will aber sicher wissen, wie es den Kindern geht - und vielleicht sogar, was ihr Mann so treibt. "Hi, hier spricht dein Mann", sage ich dem Gerät. Ein Anfang, gewiss, aber eigentlich ein blöder Text. Meine Frau sieht doch, von wem die Nachricht kommt. Ich ärgere mich, aber mein Händie rotiert bereits und macht mir folgenden Vorschlag: "Hei, Hirsch bricht dein Mann." Na toll. Wieder mal hat mich das Ding nicht richtig verstanden. Vielleicht liegt es an meinem Dialekt, der meinem Deutsch eine gewisse Breite und sehr viele Sch-Laute verleiht. Sch-Laute mag die Sprachsteuerung nicht, da bricht sie.

   Anderseits: Respekt, was die unbekannte Schreibkraft aus meinem blöden Text gemacht hat. Aus einem völlig überflüssigen Anfang ist eine rätselhafte Nachricht geworden, die ganz sicher das Interesse meiner Frau wecken wird: Liefert sich mein Mann gerade einen Revierkampf mit einem Hirsch? Misst er sich gar mit einem Hai? Oder hat er nur ein bisschen zu viel getrunken? Ich sehe schon die drei Fragezeichen vor mir, die sie mir zurückschicken wird und drücke grinsend auf "Senden".

   Das Grinsen verabschiedet sich rasch aus meinem Gesicht, als meine Tochter auftaucht. Putzmunter und noch komplett angezogen. Natürlich ist sie nicht ins Bett gegangen, natürlich hat sie nicht auf mich gehört. Ich seufze. Schon toll, was Händies heutzutage alles können. Aber dei Sprachsteuerung bei Kindern hat früher besser funktioniert.

 

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