Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (12. Mai 2013)
 
Fettnäpfchen
 

   Wenn wir recht verstanden haben, wird die Bundestagswahl am 22. September am Fettnäpfchen entschieden. Die Poliltiker springen wie wild um das kleine Gefäss herum und schubsen sich gegenseitig ein bisschen. Sobald einer aus Versehen ins Fettnäpfchen tritt, hebt ein grosses Gejohle an: Ätsch! Wie doof ist das denn?



   Wie jede Redaktion, die etwas auf sich hält, hat auch unsere einen Fettnäpfchen-Zähler. Ein eher schmieriger Typ, aber gut. Sein Wort hat Gewicht, er ist der Notar, der am Ende der Sendung aus der Kulisse kommt und im versiegelten Briefumschlag das Ergebnis bringt. Nach seiner Zählung liegen Grüne und SPD in Sachen Fettnäpfchen weit vorn. Die Grünen, weil sie allen Ernstes ganz konkret in ihr Wahlprogramm geschrieben haben, wie sie all die Wohltaten finanzieren wollen, die ihrer Partei eingefallen sind. Die SPD, weil sie als Spitzenkandidat Peer Steinbrück hat, der gerne Klartext spricht. Klartext ist die Grundvoraussetzung dafür, um ins Fettnäpfchen treten zu können. Dazu später mehr.

   Angeblich stand der Fettnapf früher, in den Zeiten von Ackerbau und Viehzucht, auf dem Küchenboden. Entweder gefüllt mit Stiefelfett oder als Auffangtopf für das Fett, das von aufgehängten Würsten und Schinken herabtropfte. Wer in so ein Näpfchen trat, verärgerte die Hausfrau. Dann haderte sie mit der Sauerei, die da angerichtet worden war, aber natürlich war da nichts mehr daran zu ändern. So ein umgetretener Fettnapf, das ist wie verschüttete Milch.

   Heute hat jeder die Chance, jede Woche neu ins Fettnäpfchen zu treten. Letzte Woche war es Sigmar Gabriel, weil er sich aufgeschlossen gegenüber einem generellen Tempolimit auf Autobahnen zeigte. Das ärgerte den Führenden in der Fettnäpfchen-Gesamtwertung, Peer Steinbrück, so sehr, dass er seinem Parteichef widersprach und so persönlich ein paar Fettnäpfchen gutmachte. Das Ergebnis war allerdings für beide unterm Strich durchwachsen. Hängen blieb, dass die SPD offenbar eine Partei der zwei Geschwindigkeiten ist.



   Mittlerweise hat man den Eindruck, Steinbrück führe sein Näpfchen mit sich, gewissermassen ein Fettnäpfchen to go. Das aber liegt nur daran, dass inzwischen jeder konkrete Vorschlag eines Politikers Fettnäpfchen-Alarm auslöst - es sei denn, er verspricht Freibier für alle. Keiner hat das mehr verinnerlicht als Angela Merkel. Die Kanzlerin schafft es mittlerweise, ganze Legislaturperioden ohne einen angreifbaren Satz zu bestreiten - nach dem Motto: Wer sich nicht bewegt, der kann schon in kein Fettnäpfchen treten. Und da die Kanzlerin nun mal das Mass aller Dinge ist, ist sie mit schuld daran, dass das Fettnäpfchen inzwischen auch dann auftaucht, wenn einer bloss mal eine konkrete Idee äussert und unter den 80 Millionen Bundesbürgern sich einer finden lässt, der diese Idee nicht so gut findet. Schon ist Fettnäpfchen-Zeit. Was das über den Zustand unserer Demokratie aussagt, da bleiben wir lieber im Ungefähren. Sonst kriegen auch wir noch unser Fett weg.

 

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