Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (14. Juli 2013)
 
Lasst uns auf kleinem Fuss leben!
 

   Lauschangriff in der Stadtbahn. Junge, bleiche Menschen in verwaschenen Kleidern unterhalten sich über den Zustand der Welt. Sie wirken besorgt, sprechen leise. Es fallen Begriffe wie Klimakatastrophe, Rohstoffausbeutung, Ozonloch, Nachhaltigkeit. Beim Stichwort "ökologischer Fussabdruck" schiebe ich meine Beine unter den Sitz. Ich habe Schuhgrösse 45 und fühle mich schuldig. 50 lange Jahre lebte ich auf grossem Fuss.

   Falls Sie in Umwelt- und Weltverbesserungsdingen noch nicht so bewandert sein sollten: Der ökologische Fussabdruck ist für immer mehr Bürger das Mass aller Dinge. Der verrät Ihnen, wie viel Fläche Erde nötig sind, um Ihrem Lebensstil zu ermöglichen.



   Ich habe früher in Saus und Braus gelebt, stand den Geissens, diesen TV-Grosskotzen von RTL2, in nichts nach. Mein ökologischer Fussabdruck entsprach der Fläche sämtlicher Golf- und Kunstrasenplätze weltweit. Inzwischen habe ich mein Leben umgekrempelt, meinen Lambo gegen einen Laternenmast gefahren, meinen Führerschein Greenpeace gestiftet. Ich ernähre mich von Lichtenergie und unterbiete mit meinem ökologischen Fussabdruck die Fläche, die einer Legehenne zusteht.

   Auch wenn ich allein in einem Baumhaus lebe, so weiss ich doch, dass viele Menschen mit mir sind. Immer mehr verantwortungsbewusste Erdenbürger bekenne sich zur Bescheidenheit. Sie leben spartanisch wie Kellerasseln.

   Auf "Spiegel Online" wurden diese Woche drei junge, hoffnungsvolle Menschen porträtiert, die den Verzicht predigen und nicht mal mehr Atomstrom aus heimischen Anbau verwenden. Ein Kölner Student der Vokswirtschaftslehre sagte, wenn einer seiner WG-Genossen die Nudeln vom Vortag in den Abfall werfe, hole er sie heraus und esse sie.

   Im Winter habe er versucht, in der Wohnung ohne Heizung auszukommen. Zehn Stunden am Tag sei er, die Beine in drei Hosen und einen Schlafsack gehüllt, vor dem Notebook gesessen und habe für eine VWL-Arbeit gelernt. Ein Kommentator schrieb im Netz, dass er dem jungen Mann nie eine Wohnung vermieten würde. Werde winters nicht geheizt, fördere das den Schimmelbefall.

   Der Mann hat nichts begriffen. Genau darum geht es uns. Wir wollen eins werden mit dem Schimmel, der Natur, dem Universum. Wir wollen nicht mehr als Sondermüll mit gigantischen ökologischen Fussabdrücken und in H&M-Klamotten durch die Welt latschen. Wir sind Moos. Wir sind Erde. Wir wollen verrotten - rückstandsfrei auf dem Komposthaufen der Weltgeschichte.



  Kürzlich habe ich bei Freunden einen Film über indische Mönche und Nonnen gesehen. Es handelte sich um Anhänger des Jainismus. Wenn diese Leute für Almosengänge auf Wanderschaft gehen, haben sie kleine Besen dabei, um Kleinstlebewesen und Insekten beiseite zu fegen, damit diese nicht verletzt oder getötet werden. Die schwäbische Kehrwoche, liebe Freunde, muss neu gedacht werden.

 

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