Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (15. September 2013)
 
Der Finger der Woche
 

   Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Wahlkämpfe durch Reden entschieden werden. Viel wichtiger ist, was nicht gesagt, was verschwiegen wird. Hätten die Grünen zum Beispiel in ihrem Wahlprogramm weggelassen, wie und bei wem sie genau das viele Geld eintreiben wollen, das sie für die Haushaltsanierung und diverse Zusatzausgaben brauchen, stünden sie in den Umfragen wahrscheinlich besser da. Aber wie soll eine Partei, die sich für einen vegetarischen Tag in Kantinen starkmacht, diesen Braten auch riechen?



   Ein besseres Gespür zeigte da schon Phillip Rösler, der von sich immer noch behauptet, er sei FDP-Chef. Rösler verhinderte in der vergangenen Woche das Erscheinen eines Interviews, in dem er von zwei Redakteurinnen der linksgerichteten "Tageszeitung" (taz) ziemlich penetrant nach seiner asiatischen Herkunft befragt worden war. Denn Rösler weiss: Besser kein Interview als ein schlechtes. Als die "taz" daraufhin den Vorgang öffentlich machte, indem sie nur ihre Fragen abdruckte, bekam Rösler viel Zuspruch - selbst von denen, die seine Partei nie wählen würden. Wie doof manche Fragen sind, fällt halt oft erst auf, wenn die Antworten fehlen.

   Die Meisterin des Nichtssagens ist bekanntlich Angela Merkel. Sie käme nie auf die Idee, jemanden öffentlich abzukanzeln, den sie vielleicht noch mal brauchen kann. Man stelle sich vor, Merkel würde offenbaren, was sie tatsächlich von uns allen hält: Den Wählern, ihren Parteifreunden, den Gewerkschaften, den Industriebossen. Man stelle sich vor, sie würde auch noch sagen, was wirklich an Einsparungen und Steuererhöhungen nötig wäre, um die Schuldenbremse einzuhalten - die Wahl wäre für sie verloren. Für den Wahlkampf gilt: Die Wahrheit will in Wahrheit niemand hören.

   Insofern war allein schon der Ansatz von Peer Steinbrück tollkühn, mit Klartext die Wahl gewinnen zu wollen. Zumal der SPD-Spitzenkandidat nicht gerade der Vorsichtigste ist. Er feiert die Fallen wie die Feste.

   Womit wir bei dem Finger wären, dem Finger der Woche sozusagen. Steinbrück hat auf dem Titelbild einer Zeitschrift den Stinkefinger gezeigt - seinen Kritikern vorallem, aber vielleicht auch dem ganzen Wahlkampf, seiner Bereitschaft zur Kandidatur. Wer A sagt, muss auch B-leidigen können.



   Dabei lautet das Motto der Interviewreihe ausdrücklich: Sagen Sie jetzt nichts. Der Befragte soll nur mit Gesten antworten, aber auch das kann natürlich in die Pose gehen. Steinbrück sagt halt selbst gern etwas, wenn er nichts sagen soll. So geht Wahlkampf aber nicht.

   Vielleicht punktet Steinbrück mit dem Finger trotzdem. Vielleicht sagen die Leute, da hat sich der Sozi aber mal prima sozial gerächt. Das neue iPhone von Apple lässt sich künftig auch mit dem Mittelfinger entsperren - warum nicht auch der sperrige Wähler?

   Merkel setzt derweil weiter auf das grosse Nichts. Ihrem Sprecher  liess sie zu Steinbrücks Finger erklären: "Ich habe dazu keine Worte."

 

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