Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (17. November 2013)
 
Im Garten
 

   Der November hat Deutschland fest im Griff. Die Menschen tragen eine trist-graue Gesichtsfarbe mit sich herum und flüchten sich in wärmeverheissende Kaffeebars, wo sie becherweise Espresso macchiato, extra-spumante oder Caramel-Latte schlürfen und ihr Dasein von den beschlagenen Scheiben traurig spiegeln lassen. Draussen dreht sich derweil alles sinnlos um sich selbst.



   Ein früherer Tennisstar hängt sich im Fernsehen Christbaumkugeln an die Ohren und macht allerlei lustige Wodkafaxen, in den Talkshows werden Prostituierte herumgereicht, und ein Münchener Rentner tauscht bei Rewe eine Grafik von Ernst Ludwig Kirchner gegen vier Flaschen Spaghettisosse Ricotta Milanese, 240 Gramm Rindersalami und zwei Päckchen Malboro ein. Die 340879,34 Euro Wechselgeld steckt er achtlos ein. Geld ist nicht alles. Man muss halt leben. Und die Kunst ... sowieso.

   Während in München der graue Himmel sogar die Leuchtkraft der klassischen Moderne verblassen lässt,und die gute alte Hoeneß-Birne von hellem Rot ins Käsige wechselt, lodern im politischen Berlin die Leidenschaften. Die Alphatiere der Politik tricksen, prahlen und prassen, lügen und weinen. Und wenn es am Ende ans Geldverteilen geht, hauen sie sich unter dröhnendem Gelächter gegenseitig auf die Finger "Mal alle fünfe gerade sein lassen ... so jung kommen wir nicht mehr ... gibts du mir, so geb ich ..." Und es gibt viel zu verteilen, für Arme und Kranke, Kinderreiche und Haustiere, Sieche und Genesende. Sigmar Gabriel beeindruckt die Delegierten mit einer Revue der bekanntesten Zigarettenhalterungen Willy Brandts und lässt zum Abendessen Mettwurstbrötchen von der Decke regnen. Horst Seehofer lässt seinen Märklin-Modell-Panzerzug "Kim Il Sungs goldene Morgenröte" gegen die Steuererhöhungspläne der SPD anrennen. Sein Adlatus Dobrindt kann abends nur mit Hilfe eines Schuhlöffels jene Brille ablegen, mit der er tagsüber den Gesprächspartnern so lange ein Weissbier in den Kopf projiziert, bis jeder Widerstand erlischt. Andrea Nahles, die fatale Diseuse der Sozialdemokratie, gibt einen Pippi-Langstrunpf-Liederabend, die Kanzlerin schreibt mit ihrem SMS-Daumen erstmals seit ihrer Doktorarbeit wieder auf Papier, damit sie nicht mehr abgehört werden kann. Das führt zu gehöriger Verwirrung, weil Wortfragmente wie Mütterverrentungsbemessungsgrenzenmehrwertsmeinungsführerschaft erst vom wissenschaftlichen Dienst übersetzt werden müssen.



   Was aber bleibt uns allen, wenn der Nachmittag von der frühen Nacht geschluckt wird und sich die Menschen hinter hochgeschlagenen Mantelkragen verschanzen? Die Heizung ruinös aufzudrehen und der Partnerin beim Ausprobieren neuer Dessous zuzuschauen? Sich eine Wärmeflasche mit Rotwein ins Bett zu nehmen? Zur Musik von Lou Reed zu weinen? Am Ende hilft doch nur der Kräutergarten auf der Fensterbank. Dort sollte man jetzt Teltower Rübchen pflanzen. Die schmecken im Eintopf und überhaupt..

 

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