Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (01. Dezember 2013)
 
Dampfwolken aus Zimt
 

   Tief durchatmen, liebe Leser. So ist es gut. Spüren Sie es jetzt, dieses beissende Kratzen im Hals, dieses Gefühl, als würde der Magen von einer unsichtbaren Faust zusammen gedrückt. Spüren Sie zugleich eine wollüstige Hitze, die sich bis in den Lendenbereich hinabzieht? Wie? Das erleben Sie bei der Lektüre von ihrer Sonntagszeitung? Mag ja sein, aber derzeit wird diese Wohlbefindlichkeit bis ins Unerträgliche gesteigert. Dabei sprechen wir nicht von der neuen Alltagsdroge Cannabis, die bei den Koalitionsgesprächen in Berlin zu einer nie da gewesenen Heiterkeit geführt hat (Nur die CSU setzt noch auf die alten Standard-Rauschmittel Bier und Blasmusik). Nein, wir sprechen von den allerorten aufglühenden Weihnachtsmärkten.

   Die bewährte Aufklärungsdrohne "Juhnke" unserer Wissenschaftsredaktion schwebt seit Tagen über dem Land und hat Mühe, ihre optischen und olfaktorischen Sensoren im Zaum zu halten. Die aufsteigenden Dampfwolken aus Zimt, Vanilleersatz, gezuckerten Tee, finnischen Brantweinersatz, Glykol, Posaunenglibbern, asphaltierter Bratwurst, Daunenjackenschweiss, Magensäure, verbrizzelten Stromleitungen und Mandelscheiterhaufen haben bereits zu einer zusätzlichen Klimaerwärmung um mehr als 1,34 Grad geführt und bringen die verdutzte Erde mehr und mehr aus ihrer gewohnten Umlaufbahn. Dazu tragen auch die Kolonnen von Reisebussen aus der Schweiz bei, die sich in Richtung Deutschland bewegen. Meist kommen sie wegen der Verkehrsstaus so spät an, dass die Buden schon wieder geschlossen haben. Dennoch herrscht Bombenstimmung.



   Juhnke hat natürlich die wichtigsten Neuerungen durchgefunkt. Die Bürgermeister vieler überschuldeter Mittelstädte treten als sprechende Elche oder lebende Spendenbüchsen auf. Ebenfalls im Trend sind Christkindl mit Migrationshintergrund und feuerfeste Alpakaunterhosen mit seitlichem Eingriff. Immer beliebter sind auch jene Kinderlebkuchenwerkstätten, in denen die Kleinen zu Lebkuchen verarbeitet werden. Die Eltern essen solange eine Schüssel Nougat-Meerrettich-Schaschlik oder schauen zu, wie wehrlose Früchte, Haustiere und Badelatschen mit Schokolade übergossen werden und den beseelten Besuchern zum Frass vorgeworfen werden. Doch diese Wunderwelt hat auch ihre abgründigen Schattierungen. Die überall umherwandernden Rauschebärte verbergen nämlich oft genug hundsgemeine Taschendiebe. Sollte Ihnen ein Bartgebüsch merkwürdig vorkommen, setzen Sie es einfach mit einer gegossenen Stumpenkerze in Brand oder schlagen sie mit einer Crepe-Pfanne so lange darauf ein, bis jedes Lebenszeichen erlischt.

   Leider muss unsere Weihnachtsmarkt-Berichtserstattung in diesem Jahr kurz ausfallen, weil unsere Drohne "Juhnke" nach Genuss von vier Einmachgläsern Glühwein der Sorte "Kosakenpeitsche - herrlich ätzend" in eine Wanne mit kupferhaltiger Zuckerwatte abstürzte. Die verklebten Schaltkreise sollen aber an Ostern wieder voll einsatzfähig sein.

 

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