Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (02. März 2014)
 
Geschminkte Wahrheiten
 

   Es muss der Abend des Schmotzigen Donnerschdichs gewesen sein. Das Redaktions-Kompetenz-Team dachte darüber nach, wie viel Inhalt diese Kolumne dieses Mal vertragen könnte. Die besten Köpfe der Redaktion mühten sich nach Kräften, aber es kam nichts dabei heraus - bis der Blick des Chefredakteurs nach draussen schweifte und sich am gegenüberliegenden Büroblock festfrass wie eine Tunnelbohrmaschine von Herrenknecht.

   In einem Stockwerk war bereits das Licht aus, aber hinter den regennassen Scheiben waren zwei Girlanden und sechs Luftballons zu erkennen. "Haben wir Rheinländer im Haus?", stammelte der Chef und griff sich an den Schlips.



   Dann geschah etwas, was als schwäbisches Faschingswunder in die Geschichte des Frohsinns eingehen dürfte. Waschechte Pietisten, die weder mit Fasnet noch mit Karneval jemals etwas am Hut hatten, griffen in ihre Schreibtischschubladen, förderten Scheren, Klebstoff, Buntstifte zutage, leerten Altpapiercontainer, rissen sich die Kleider vom Leib und begannen zu basteln.

   Hier die geschminkte Wahrheit über die Verkleidungsorgie.

   Die Politikredaktion, ambioniert wie Aschermittwochsheringe, versuchte sich an einem Politdarsteller, an dem unsere besten Karikaturisten schon gescheitert waren. "Ich bin der böse Wulff", rief einer. "Ihr könnt mir einen ausgeben!" "Ich bin der gute Wulff", rief ein anderer. "Jetzt hol ich meinen Sohn aus dem Kindergarten, dann meine Frau zurück und dann stoss ich den Gauckler vom Thron. Danach könnt ihr mir einen ausgeben."

   Ein Sportvolontär, dessen Mutter in den achtziger Jahren aus einem Kopf-an-Kopf-Rennen im Remstal als Miss Strickliesel hervorgegangen war, nähte sich aus seinem VfB-Trikot einen Wingsuit und zog sich zu Trockenübungen in den Lastenaufzug zurück.

   Heidi Klum, mit strammen 40 noch gut für einen "Bild"-Titel, beflügelte die Fantasie unseres Stil-Redakteurs. Der Kollege, an einer Allergie gegen Ganzkörperkostüme leidend, rasierte sich ein Bein und behauptete, er gehe als Heidi-Klum-Fuss zur Fasnet.



   Provokant der Auftritt der Gesundheitsreporterin. Sie steckte in einer Zigarettenschachtel aus Pappmaché mit aufgedruckter Raucherlunge.

   Wenig überraschend die Verkleidung des Redaktionsveganers, wobei nicht ganz klar war, ob er eine Frühlingszwiebel oder eine Lauchstange darstellen wollte. Aber Bio war er auf jeden Fall.

   Kollegen und Kolleginnen befreundeter Redaktionen kamen hinzu. Sie trugen lustige Hütchen aus Zeitungspapier und T-Shirts mit dem Aufdruck "Tötet alle Gesinnungsterroristen".

   Es war ein heiteres Treiben, was nicht nur an einem Piccolofläschchen Krimsekt für alle gelegen haben mochte, das der Chefredakteur aus seinem Giftschrank geholt hatte. Womöglich kam hier bereits die neue Klimaanlage ins Spiel, die die Redaktion mit einem Xenon-Sauerstoff-Gemisch zu Höchstleistungen antreiben soll.

 

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