Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (09. März 2014)
 
Man ist ja Mensch
 

   Moment, wir müssen nachdenken. Eigentlich sollten wir hier was schreiben. Mit Witz und so. Aber der verdammte Kopf. Ist ja alles drin, sonst. Aber heute. Irgendwie dumpf. Also mal ganz von vorn. Zum Schreibtisch kriechen, an der Kante hochziehen, Computer einschalten. Mein Gott, ist das hell. Zusammenreissen. Wie war das jetzt, diese Woche? Alles begann mit einem Schwanken und Wackeln. Eine Wellenbewegung in ganz Deutschland, die auf der Lichter-Lafer-gute-Laune-Skala Stärke Zwölf erreichte. In Küstennähe traten Meere über die Ufer, im Süden neigten sich Hochhäuser und Alpengipfel. Menschen drehten sich um sich selbst, Nächte wurden lang und länger, Partnerschaften und Weltbilder gerieten ins Wanken. Gewissheiten und gute Vorsätze zerfielen wie alte Monarchien, Gehirne schwappten im hochprzentigen Saft hin und her.

   Epizentren des Bebens waren die Karnevalshochburgen, wo sich wildfremde Menschen unterhakten und unter den Trommelschlägen und Stabreimen tollwütiger Vorbeter in eine Links-rechts-Bewegung versetzen liessen. Ja, da war wieder was richtig los. Die deutsche Kultur schüttelte ihr Kölschfass aus: "Ich hab drei Haare auf der Brust" und "Kölsche Mädchen könne bütze" und "Buenos Dias Mathias". Menschen setzten sich blinkende Hoeness-Birnen auf und zogen als Steuerbetrüger durch die Gassen, als BKA-Männer (nix höre, nix sehe, aber gut druff) und als Krimtataren und Putingeschnetzeltes essende Dom-Kosaken. Was ham we jelacht.



   Das alles fusst natürlich in einer uralten Tradition. Einst huldigte man einem Narrenbischof in Eselsgestalt. Diese Verkleidung ist in Zeiten von "DSDS" und "Dschungelcamp" überflüssig geworden. Skeptiker prophezeiten angesichts des ganzjährigen Rauschs, in dem sich die Deutschen durch Lanz und Larissa versetzen lassen, dem klassischen Karneval das baldige Aus. Weit gefehlt. Fasnacht und Karneval gewinnen in Zeiten des Klimawandels eine neue Dynamik. Milde Winter, warmes Bier, Kostüme, deren Stoffanteil dem eines Brillenputztuchs entspricht - diese Melange aus Wollust und Leutseligkeit verdichtete sich in dieser Woche wieder zu einer Gute-Laune-Lawine, die sich unter Ausstoss von Lauten wie "Heidewitzka" und "Ritsch-Ratsch-Botz", "Bütz und Hagel" und Versen wie "Su lang me noch am Lääve sin" und "Drink doch eene met" von den Karnevalhochburgen aus durchs Land wälzte. Experten wissen: Wo Deutschland hinlacht, wächst kein Gras mehr.

   Natürlich werden uns nachwachsende Generationen dereinst die Frage stellen, warum habt ihr mitgemacht? Ja was hätten wir denn tun sollen? Natürlich hat man sich gewundert, als die Nachbarn im Batman-Kostüm zur Arbeit gingen. Als die Kinder in Froschkostüme gezwängt wurden. Aber uns ging's ja nix an. Und: Nicht mitmachen ist ja auch keine Lösung. Man ist ja Mensch. Und so jung kommen wir nicht mehr ... und einmal ist keinmal ... und hoch die ... Wo waren wir? Na, auch egal.

 

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