Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (13. April 2014)
 
Ein Fläschen in Ehren
 

   Obwohl ich keine Schuppen habe, benutze ich seit kurzem ein Anti-Schuppen-Shampoo. Es kostet mich jedes Mal Überwindung, denn sowohl der Geruch dieses Shampoo wie auch sein Aussehen erinnern mich an eine Rheuma-Salbe, deren Haltbarkeitsdatum längst überschritten ist. Warum ich das Shampoo dann benutze? Nun, das ist eine traurige Geschichte. Sie handelt von Süchten.

   Fast jeder fünfte Jugendliche trinkt sich regelmässig in einen Rausch. Das gab die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung am Montag bekannt. An diesem Tag wurde zufällig auch meine Tochter über die diversen Möglichkeiten der Abhängigkeit aufgeklärt. An ihrer Schule fand für die siebten Klassen der Aktionstag "Leben ohne Sucht" statt. An so einem Tag werden die Kinder in Projektgruppen zu starken, suchtfreien Persönlichkeiten geformt - zumindestens ein bisschen. Zwischendurch gibt es Raucherpausen für die Erwachsenen.



   So ein Aktionstag hat zur Folge, dass Kinder fortan den unwiderstehlichen Drang verspüren, ihre trinkenden und rauchenden Väter zu belehren. Im konkreten Fall drehte ich - sozusagen vorbeugend - den Spiess um und fragte meine Tochter: "Habt ihr auch über Kaufsucht geredet?" Sofort war ich in der Offensive, denn meine Tochter macht zwar beim Komasaufen nicht mit, es gibt aber auch das Komakaufen. Wenn ich mir das Verhalten meiner Tochter und ihrer Freundinnen so ansehe, glaube ich, dass es in diesem Bereich ein spezielles Problem gibt, das schwer unterschätzt wird: Die Drogerie-Abhängigkeit. Dabei steckt in der "Drogerie" das Wort "Droge" doch schon drin! Meine Tochter jedenfalls kann ohne den regelmässigen Kauf von Kosmetik- und Hygieneartikeln nicht mehr leben. Das Geld dazu zieht sie ihrem allzu gutherzigen Vater aus der Tasche mit dem Argument, sie sei doch seine einzige Tochter. Fachleute nennen das Beschaffungskriminalität.

   Zum Kauf angestiftet wird sie durch Videos im Internet, wo trendige Mädchen fragwürdige Schönheitstipps geben. Vollzogen werden die Deals auf den bekannten Umschlagplätzen dm, Müller oder Rossmann. Alles nette Läden mit freundlichen Menschen, aber keiner fragt, wie es bei uns zu Hause aussieht. Ich sag's trotzdem.



   Bei uns zu Hause stapeln sich im Bad die Fläschchen und Döschen, die Lippenstifte, Haarbändchen und Klämmerchen. Einen Drogerie-Abhängigen erkennt man daran, dass unter der Dusche kein Platz mehr zum Duschen ist. Meine Tochter verfügt über so viele Shampoos und Spülungen, dass sie damit den Boden des Duschraums einer Fussballmannschaft problemlos zustellen könnte.

   Ich habe mit meiner Tochter geredet. Wir haben einen Entzugsplan ausgearbeitet. Sie kauft nur noch das Nötigste (was auch immer das ist), und ich helfe ihr, die Shampoos aufzubrauchen. Dazu gehört auch das überriechende Anti-Schuppen-Shampoo, das meine Tochter übrigens nur aus einem einzigen Grund gekauft hat. Auf der Packung steht "Neu. Verbesserter Duft!".

 

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