Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (27. April 2014)
 
Griff zur Gartenschere
 

   In Strassen, Gärten, Hochhäusern und politischen Kabinetten herrscht das Chaos. Die warme Witterung führt zu einem zügellosen Treiben, das Mass und Sittlichkeit mit Füssen tritt. Deutschland verwandelt sich in ein Biotop, in dem nur noch pralle Fruchtbarkeit, wimmeliger Erotismus und faulendes Nichtstun regieren. Zentrum der triebhaftesten Sumpfblüten ist Berlin. Die dortige Flora wurde bisher von ausgetrockneten Schattengewächsen und liberalen Bambusstauden bestimmt, die sich im Wind des Zeitgeistes hin und her bogen. Jetzt dominiert brünstiges Wachstum. Nehmen wir nur die "Clementis Columbiana Dobrindt". Sie klettert blitzschnell die Karriere-Ranken empor und bläst durch Trompetenblätter feinen Innovationsstaub aus, der bald im Wind verweht.



   EIne andere Kletterpflanze hat sich mit ihren zottelig behaarten Grifftentakeln im obersten Stock des Berliner Flughafengebäudes eingenistet. "Hosta Mehdorna" gibt knarzige Geräusche von sich und entledigt sich der Futterkonkurrenten mit einem Schlag ihrer Basalgeisseln. Sie ist in der Anschaffung und Pflege nahezu unbezahlbar und befällt vor allem öffentliche Grossbaustellen, wo ein kontrollfreies Mikroklima herrscht. Beim Versuch, sie von der Fassade eines befallenen Baus zu lösen, gehen meist auch alle anderen Wände zu Bruch. Vorsicht: Wer sie in Gebäuden ohne Brandschutz anpflanzt, riskiert Verqualmung, die bis zur Kostenexplosion führen kann.

   In der Formensprache zwischen Passionsfrucht und Avocado siedelt sich die "Acuacatl Gabrielis" an. Ihr Nährstoffbedarf ist so gross, dass sie den Bedarf an Kalorien eines Vierpersonenhaushalts auf Jahre hin deckt. Ihre fotosynthetische Kraft reicht für mindestens drei Energiewenden. Auf Streicheln durch Arbeiterhände reagiert sie mit treuherzigem Aufschlag des Blütenkelchs. Ganz anders das gefürchtete bayerische Bierpflanzerl. Es drückt ungebeten in das fein ausbalancierte florale Gefüge der Hauptstadt, frönt einen ungehobelten Fortpflanzungsdrang und bringt das Biosystem zum Kollabieren. Pflanzen, die es eben noch weiss-blau anstrahlte, werden, sobald sie ihm den Rücken zudrehen, zur Gaudi gebissen oder aus dem Beet intrigiert. Wer das Zeug sieht, sollte es mit dem Zacken-Horst, einem scharfen Titanrechen, ausreissen und nach Bayern schicken, wo es Experten gibt, die damit umgehen können. Handschuhe anziehen! Dagegen ist die "Crassula Hobbit Gröhe" eine gerngesehene genügsame Topfpflanze. Sie muckelt bescheiden vor sich hin und gewinnt auch einem lichtlosen Schattenkabinett sonnige Seiten ab.



   Das Wuseln in Politik und Garten führt allenthalben zu Amnesie, Verschleuderungssucht und LIebesblödigkeit. Der Griff zur Gartenschere ist unabdingbar. Sparen Sie sich den Weg zum Baumarkt. Gute Gartenscheren bekommen sie nur noch im Kanzleramt oder im Kreml. Wer einmal damit anfängt, das ganze Unkraut auszumerzen, kann nicht mehr aufhören. Da! Am Fenster zeigt sich der Kopf einer gemeinen Schmerzwurz. Dir werd' ich's ...

 

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