Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (18. Mai 2014)
 
Liebesgrüsse aus Moskau
 

   Seit Jahrhunderten existiert eine grosse Bewunderung für für Russland. Viele Deutschen träumen von einer romantischen Schlittenfahrt an den Baikalsee oder einer Heirat mit einem Oligarchen. Zwar werden offizell gewisse Entscheidungen in Moskau kritisiert, doch heimlich brennt überall die Sehnsucht nach einer starken Persönlichkeit wie ein Schluck gestreckten Wodkas in der Kehle.

   Ivan der schreckliche, Ivan der Blutrünstige oder auch Ivan Rebroff - Russlands prinzipientreue Männer gingen stets ihren Weg, sie liebten und folterten ihr Volk, küssten und schlugen sich ohne Rücksicht auf Sanktionen oder Herpesvieren. In dieser heldenhaften Tradition stehen nun auch Naturburschen wie Wladimir Tyrranowitsch Putinski, welche wegen ihrer klaren Haltung zu verspiegelten Sonnenbrillen und Homosexuellen hierzulande immer mehr Verehrer findet. Doch wie lebt so ein Tyrranowitsch privat? Hat er ein Faible für Stöckelschuhe? Ist er wirklich anders als die anderen Geschlechtsgenossen, die man hier im verweichlichten Westen so kennt, typische deutsche Schattenparker wie Wolfgang Joop oder Joachim Gauck? Der Tagesbuchauszug eines Missverstandenen.



   6.37 Uhr: Aufgestanden, eine Liegestütze geschafft. Sehr stolz, aber auch total verschwitzt. Im Badezimmerspiegel starrt mich ein stoppliges Gesicht an, halb Conchita Wurst, halb Erdogan. Ekelhaft. Ausgiebig geweint. Anschliessend dreifache Ganzkörpernassrasur und Pirogenmaske.

   7.15 Uhr: Angela in Berlin angerufen, sie hebt wieder nicht ab. Niemand liebt mich. Zum Trost einhundert Oppositionelle verhaften lassen und Tschalkowskys "Schwanensee" eingelegt.

   8 Uhr: Frühstück im Kreise der Lieben. So soll's sein. Wer ist noch meine Erstfrau? Die Dicke da hinten? Egal. Die Familie ist Gottes Wunsch. Danach reihum Backpfeifen verteilt und zwei Müslischalen annektiert.

   10 Uhr: Ausgedehnter Spaziergang mit freiem Oberkörper im Garten. Gänsehaut. Plötzlich mit den frisch gewachsten Kosakenstiefeln in eine ungenehmigte Ameisendemonstration getreten. Schwule Neonazis! Sofort Medwedew über die antirussischen Umtriebe in Kenntnis gesetzt. Vorschlag: Wasserwerfer und Tränengas. Begeisterte Zustimmung.



   12 Uhr: Gottesdienst. Vorn steht so eine bärtige, langhaarige ESC-Transe in einem Abendkleid und singt krankes Zeug. Die Wurst! Njet! Raste total aus und beschimpfe die Anwesenden als vulgäre Ethno-Faschisten. Es gibt Tote und Verletzte. Dann stellt sich heraus, dass die perverse Heulboje der Pope ist. Tja.

   16.24 Uhr: Endlich wieder zu Hause. Puh, was für eine Aufregung. Im Keller den Gashahn für Ukraine zugedreht. Anschliessend gemeinsames Wett-Angeln mit der Wachmannschaft. Tolle Typen, muss man schon sagen. Meine Rute zitterte leider kein einziges Mal. Ein Dutzend Westjournalisten filzen lassen.

   23.29 Uhr: Angela angerufen. Nachricht auf den AB gesprochen. Liebesgrüsse, auf Deutsch. An Rudolf Nurejew gedacht. Unruhige Nacht.

 

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