Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (25. Mai 2014)
 
Wo liegt Maastricht?
 

   Ein Kontinent atmet auf. Der Europawahlkampf ist zu Ende. EU-Politiker dürfen die ungewohnte Sphäre der Fussgängerzonen verlassen und in ihre verschwiegenen Kabinette zurückkehren. Wir blicken zurück auf die Stätten der Schlacht um Europa.

   Anfang der Woche auf einem Marktplatz in der Oberpfalz: Ein Europaabgeordneter der Dings-Partei, wie heisst die noch mal, na, wir kommen noch drauf, erklärt Schülern die "EU-Richtlinie zur Restruktierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom, CELEX-32008L0096". "Es geht um eure Zukunft, um die Energiesicherheit von morgen", ruft er, und ein messianisches Leuchten verklärt seine in den Feinschmeckerlokalen Brüssels sumpfig gewordene Psychiognomie. "Irgendwann", schliesst er, "werdet ihr für eure Smartphones, Notebooks und Nasenhaartrimmer nur noch einen Ladestecker brauchen." Er wiederholt staccatohaft: "Ein-en-Lade-stecker-ein-en-Lade-stecker." Die Schüler stimmen begeistert ein: "Ladestecker! Ladestecker!" Im Himmel leuchtet das Hologramm eines Ladesteckers. Er sieht aus wie Viktor Orban, der sich in der Nase bohrt.

   In Brüssel bereitet sich ein junger und hoch qualifizierter Simultanübersetzer auf jene Parlamentarier vor, die demnächst die Flure des Europaparlaments bevölkern werden. "Ah, das Wahlprogramm der Rechtspartei. Also, die Schlüsselwörter sind schwul, Jude und pervertierte, dekadente Eurokratie. Wird nicht einfach, das vom Ungarischen ins Finnische zu übersetzen, Vor allem, wenn die beim Reden so spucken."

   In Deutschland greifen altgediente Politiker auf das Besserwissen vieler Jahrzehnte zurück. Der grüne Ex-Aussenminister warnt vor Verschuldung: "Wenn Maasricht fällt, ist alles im A..." Ein Zuhörer wagt den Einwand, der Ex-Minister habe damals selbst die Kriterien ... "Pah!" Wegwerfende Handbewegung "Wir wussten damals gar nicht, wo Maastricht liegt." Im Altkanzler-Bungalow geht es um Krieg und Frieden. Noch einmal erhebt der Koloss von Oggersheim die Stimme: "Ohne die EU ist der Krieg ums Elsass nur eine Frage der Zeit", orakelt er vor schaudernden Anhängern. Im Uraltkanzler-Bungalow in Hamburg murmelt jemand etwas von "grössenwahnsinnigen Eurokraten, die sich in alles einmischen". Der Rest geht in einer Rauchwolke unter, die gegen die "Richtlinie 30 des Rates von 1999 über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei" verstösst. In Luxemburg sitzt der Spitzenkandidat der Konserativen, ein distinguierter Mann, gedankenverloren vor dem neuen Reiseführer "Europäische Hinterzimmer für Kettenraucher", "2000 Seiten, Donnerwetter! Und ich dachte, ich kenne sie alle."

   In Griechenland hat es derweil die schöne Königstochter Europa geschafft, sich aus Zeus' Klauen zu befreien und dan Land zu schwimmen. Sie wird sofort von den Beamten der Grenzsicherung "Frontex" festgenommen.

 

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