Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (15. Juni 2014)
 
Das Eckige muss ins Runde
 

   Der gemeine Mensch ist dümmer, als er denkt. Gerade wenn er das Gefühl hat, für einen Moment alles im Griff und Blick zu haben - den Alltagsplunder, die Karriereleiter, die Urlaubsplanung, das Liebesleben, das Wochenendwetter, den Pollenflug, den Kontostand, den Alkoholpegel, den Blutdruck, die Kalorienzufuhr, die Fernbedienung - ja genau dann kann es vorkommen, dass so einen fein ausbalancierten Normalmenschen etwas Viereckiges komplett aus der Bahn wirft, was partour nicht in seinen Rundschädel passt. Ein Stück Papier, eine Website, ein Brief. Darin ist zum Beispiel das Wörtchen "Anhörung" zu lesen. Oder auch "Vorbehalt der Nachprüfung". Kantiges Kauderwelsch vom Finanzamt, nie und nimmer zu verstehen, weder im wörtlichen noch im übertragenen Sinn.

   Was folgt? Schuldzuweisung, Selbstzerfleischung. Ein Stahlbad im Angstschweiss. Innerlicher Abschied von den Liebsten. Landsberger Götterfantasien. Und ein Anruf. Halb so schlimm, tröstet der Finanzmensch, Anhörung bedeute im höheren Steuerpalaverdeutsch lediglich, dass man als Bürger Stellung nehmen kann, was eigentlich nett ist. Und "Vorbehalt der Nachprüfung" heisst auch nur, dass eine spätere Überprüfung des Steuerbescheides möglich ist.

   Alles gut? Nix ist gut. Nicht nur in Steuerdingen fühlt man sich in dieser Welt andauernd wie ein Depp, ein depperter Trottl, wie der Österreicher granteln würde. Man steht gern mal wie der arme Ochs vorm Berg, die ahnungslose Kathrin Müller-Hohenstein vor dem deutschen WM-Quartier oder ein osteuropäischer Räuber vor einer oberösterreichischen Bankfiliale. Anfang der Woche misslang im Allhaming bei Linz ein minutiös geplanter Banküberfall von fünf Freunden vom Balkan, weil die mutmasslichen Täter zu früh dran waren. Die Filiale war morgens noch geschlossen, und die Angestellte hinter der Glastüre wollte trotz heftigem Gewinke mit der Schusswaffe nicht öffnen. Was lernen wir daraus? Schuld an allem ist nur die EU-Osterweiterung. Wer zu früh kommt, den bestraft das Leben. Und wer die Öffnungszeiten seiner Bank im Internet nicht findet, der verdient nicht mal eine Anhörung vor dem Vorbehalt der Nachprüfung. Mehr zum Thema Deppentum und falsche Kumpels findet der interessierte Leser im recht unrund eiernden Rundumschlag unseres Ex-Bundespräsidenten.

   Ganz oben, ganz unten, so schnell kann's gehen. Vor allem brasilianische Mittelstürmer leiden unter der geheimnisvollen Fallsucht. Plötzlich liegen sie wie eleptische Südfrüchte im viereckigen kroatischen Strafraum, und diese Pfeife aus Nahost, die im traditionellen, japanischen Kabuki-Theater (Posen, Schminke) zum Fussballschiedsrichter ausgebildet wurde, gibt tatsächlich den Elfmeter. Trottl! Bei so viel Quadratschädligkeit auf der Welt ist die Trauer um einen klugen Kopf wie den verstorbenen Intellektuellen und Journalistenkollegen Frank Schirrmacher umso grösser. Noch dämlicher als der Tod ist nur das Leben selbst. Es ist das Eckige, das einfach nicht ins Runde will.

 

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