Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (29. Juni 2014)
 
Wir löschen jedes Problem
 

   Diese Woche hat der Internetriese Google damit begonnen, unangenehme Einträge zu löschen. Die Prozedur, schreibt der Suchmaschinenbetreiber in einer sich selbst löschenden Pressemitteilung, sei eine Googlefuhr. Deshalb lösche man nur, wenn dies von den Betroffenen beauftragt würde. Als ersteres meldeten sich die grossem europäischen Fussballnationen England, Italien und Spanien.

   Offenbar funktioniert die Sache. Wer bei Google "WM 2014" und einen der eben genannten Ländernamen eingibt, bekommt zu lesen: "Es wurden keine mit Ihrer Suchanfrage übereinstimmenden Dokumente gefunden,"

   Was in Historikerkreisen als "Geschichtsklitterung" verpönt ist, kommt beim Weltfussballverband Fifa und dessen Präsidenten Sepp Blatter prima an. "Gerade in solchen sensiblen Bereichen wie dem Fussballgeschäft", sagt Blatter, "sind Löschungen oft die beste Löschung." Auch von der Fifa gäbe es Interna, die bei Google nichts zu suchen hätte. Blatter: "Da kommen uns sie Problemlöschungen gerade recht."

   Allem Anschein nach hat eine einst von dem Heppenheimer Weltklasseorgler Franz Lambert komponierte Fifa-Hymne ausgedient. Wenn künftig Schiedsrichter und Fussballmannschaften in Stadien einlaufen, soll frei nach einem 80er-Jahre-Gassenhauer des Stuttgarter Popstars Peter Schilling "Völlig losgelöscht / von der Erde / schwebt die Fifa / völlig schwerelos" ertönen.

   Für Hafenmeister, Feuerwehrleute und Gastwirte ist der von Google ausgelöste Löschboom keine Überraschung. Seit jeher wurde Löschen von der Menschheit als befreiende Tätigkeit empfunden. Egal ob Schiffsladungen, Feuerbrünste oder der Durst gelöscht wurde, hinterher sah die Welt meist freundlicher aus.

   Die Trendsscouts unserer Redaktion "Spiele und Sport", stets gewohnt, kein Löschblatt vor den Mund zu nehmen, haben herausgefunden, dass der Modesport der Saison "Lösching" heisst. Kaum hatte der Suchmaschinenbetreiber Google mit seinem Löschzug begonnen, trafen sich Internetbenutzer zu Löschläufen unter freiem Himmel. Auch ältere Herrschaften kamen hinzu, deren Festplatten ganz von selber unangenehme Dinge aus dem Gedächtnis gestrichen hatte, und skandierten "Lösch geht's los. Lösch geht's los."

   Wie jede gesellschaftliche Änderung produziert auch der Lösch-Boom Verlierer. Brauereien klagen, dass bei Fussballübertragungen kaum noch Gerstensaft, sondern vor allem Löschwasser getrunken werde. Kaffeehausbesitzer haben rechtzeitig vorgesorgt und löschlichen Kaffee ins Programm genommen. Pintmedien, seit Tausenden von Jahren stolz auf das gedruckte Wort, tun sich mit dem Löschen schwer. Zeitungen liegt künftig ein Weissmacher bei.

   Kurz vor Redaktionsschluss hat sich noch einmal Fifa-Boss Blatter gemeldet. Sollte es Problem beim Löschen auf Google geben, könne man gerne über eine Ablöschesumme sprechen. Sieht so aus, als würde allösch gut.

 

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