Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (20. Juli 2014)
 
Endlich Normalität
 

   Omne animal post coitum triste - Jedes Lebewesen ist nach dem Liebesakt traurig. Dieser von melancholischer Weisheit durchtränkte Satz, der einem DFB-Poeten aus dem Umfeld von Hansi Flick zugeschrieben wird, beschreibt das deutsche Gemüt der ersten Woche nach Rio. Menschen, die eben noch die Vorlagenstatistik eines honduranischen Mittelfeldspielers fehlerlos herunterbeten konnten oder die Nationalhymne von Kamerun mit einer Buschtrommel nach a-Moll transponieren konnten, tauchten wieder ein in die Tristesse ihres verluderten Kleiderschranks, in die Traurigkeit einer im Pfützenwasser schwimmenden Schlandflagge und musterten grüblerisch jenes Grillwürstchen, das am Tage des Finales im Zustand der Erregung gegen den Fernseher geschleudert wurde (es muss der Moment des verweigerten Platzverweises gegen Agliero gewesen sein) und dort kleben blieb.

   Die ersten Tage nach der Nacht von Maracana waren noch der Exegese gewidmet, Sätze des Bundestrainers, formuliert in Jogisch, jener schwer zu übersetzenden Melange aus massiven Sch-Lauten und rhytmischen Durchschnaufen, wurden wie Kleinodien durch die Presse gereicht. Einstige Zweifler und Skeptiker zeichneten den Weg ins Finale in makelloser, sich selbst erfüllender Folgerichtigkeit nach. Natürlich und nach Abwägung aller Parameter, so die Ex-Post-Expertise, konnte es letztlich keinen Zweifel an dem Finalsieg der Mannschaft in Rio geben. Man hatte dem Trainer ja lange genug erklärt, wie er die Mannschaft aufzustellen hätte.



   Zugleich erreichte der Fussball auch entlegene gesellschaftliche Eliten. Die Wundmale im Gesichte Bastian Schweinsteiger, gerissen von blutgierigen Gauchos, fanden umgehend Eingang in die Kunstszene (Pencks Skulptur "Schwein, i stürzend" wurde in London von einem Sammler für 34 Millionen Paninibilder ersteigert). Das Romanfragment Götzendienst von Martin Suter erstürmte die internationale Bestsellerliste.

   Aber Mitte der Woche war es dann doch vorbei. Im Fifa-Tempel kehrte Normalität ein. Die Geldspeicher des Weltfussballverbands, wie nach jedem Turnier unter gewaltigem Druck, wurden durch Auszahlungen entlastet, Ergebenheitsadressen entgegengenommen, Korruptionsberichte kichernd abgeheftet, die Karawanen mit Schmuck, Jungfrauen, Gewürzen und Torwarthandschuhen hinaus in die Welt geschickt, um bei aufstrebenden Armutsstaaten und Despotien für die Ausrichtung kommender Turniere zu werben. Die sich lichtenden Twitterwolken gaben den Blick frei auf die feinen Haarrisse in den Fussballtempeln Brasiliens, die bis zu Olympia mit Zahnpasta zugeklebt werden.

   Nur die Auftritte der rhombusschlagenden Kanzlerin erhoben sich über die postfinale Niedergeschlagenheit. Beobachter schwören, dass bei den Auftritten Merkels auch nach Tagen ein wenig von jenem viril-schwülem Dunst aus der Umkleidekabine der deutschen Mannschaft in die Bundespressekonferenz waberte. Beweisen lässt sich das aber nicht.

 

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