Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (10. August 2014)
 
Voll die Hektik wegen Stress
 

   Wie bekämpft man Stress? So jedenfalls nicht: Die stellvertrendete Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Carola Reimann, hat letzte Woche ein Anti-Stress-Gesetz gefordert. Arbeitsnehmer hätten dann ein Anrecht darauf, zu bestimmten Zeiten für ihren Chef nicht erreichbar zu sein. Keine Anrufe nach Feierabend, keine E-Mails im Urlaub. Das Nähere sollen die Arbeitsgeber regeln.

   Grundsätzlich ein tolles Anliegen. Es gibt aber auch Zweifel, ob Frau Reimann die Richtige ist, uns alle in eine stressfreie Welt zu führen. Zum einen ist gerade parlamentarische Sommerpause. Warum entspannt sich die Dame da nicht im Urlaub? Kampf gegen den Stress heisst doch ein Vorbild dagegen zu sein.

   Und dann noch dieser Zeitdruck. Das Gesetz soll in jedem Fall noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht werden, fordert Frau Reimann. Das sind gerade mal noch drei Jahre! Da steigt der Blutdruck, da glühen die Ohren, da kriegt man Pickel, und der Magen rebelliert. So verursacht man Stress.

   Frau Reimann sollte sich ein Bespiel nehmen an ihrer Parteifreundin Andrea Nahles. Die ist Bundesministerin für Arbeit und wäre damit zuständig um ein Anti-Stress-Gesetz auf den Markt zu bringen. Frau Nahles war vergangene Woche zu dem Thema nicht zu sprechen, eben weil sie im Urlaub ist. Und was eine Sprecherin von Frau Nahles in deren Namen sagte, weckt ebenfalls die Hoffnung, dass das Thema Stress-Bekämpfung im Arbeitsministerium bestens aufgehoben ist. Man wolle über die Forderung nach einem Anti-Stress-Gesetz entscheiden, sobald ausreichend Inrformationen über Stress-Ursachen und deren Wechselwirkungen vorlägen, erklärte die Sprecherin. Derzeit werde der Wissensstand systematisch aufgearbeitet, "um im Dialog mit Wissenschaft und Praxis zu konkreten Handlungsempfehlungen zu kommen". Kurzum, Frau Nahles lässt allen, die die wegen Stress gerade Stress machen, ausrichten: Bloss keine Hektik.

   Nahles sollte sich in der Tat Zeit lassen, denn das Thema ist komplex. Stress entsteht ja nicht nur, sondern auch, wenn das Zuhause im Geschäft anruft. Die Frau fragt, ob man pünktlich nach Hause komme und unterwegs noch etwas einkaufen könne. Der Sohn will wissen, wo man das Killerspiel versteckt hat, das er auf seiner Playstation spielen will - eine besonders häufige Anfrage in Ferienzeiten.

   Vielleicht sollte Frau Nahles erst einmal ein paar Broschüren auflegen, denn in Sachen Stress braucht es einen Bewusstseinswandel. Stress gilt hierzulande als Statussymbol. Wer nicht jeden Abend sagt, dass er den ganzen Tag im Stress gewesen sei, der gilt als wertloses Mitglied dieser Gesellschaft. Es gibt Leute, die lieben Stress, die brauchen Stress. Und die stressen damit alle anderen.

   Dagegen hilft, das sollte in die Broschüre dringend rein, Gartenarbeit. Beim Rasenmähen kann man gut entspannen, man könnte von Mähdidation sprechen. Und wenn der Motor laut heult, dann hört man auch nicht, wenn der Chef anruft.

 

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