Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (07. September 2014)
 
Wer schreibe, der bleibt
 

   Er kann ja so schön sein, der September.Zum meteorlogischen Beginn des Herbstes werden die Tage kürzer, die Nächte schlafloser, die Fruchtfliegen frecher. Man rückt wieder enger zusammen.

   Traditionell ist es die Zeit der Weindörfer, Waffenlieferungen und Wählerwanderungen. Bei Almabtrieben werden bunt geschmückte Stimmviecher und gedemütigte FDP-Abgeordnete von ihren illusorischen Höhen und Landtagsausflügen zurück in die Täler der Tränen getrieben, was für alle ein Heidenspass ist. Und das nicht nur im Osten.



   Auch steht demnächst die Bekanntgabe der Shortlist des Deutschen Buchpreises an. Ein archaisches Ritual, so wirr und elektrisierend wie Martin Walsers Augenbrauen. Die Spannung steigt ins Unermessliche, ähnlich dem Blutdruck eines deutschen Kleinsparers, wenn er den Namen Draghi vernimmt. Nicht nur gut bezahlte Bücherwürmer und Aktenfresser fragen sich angesichts der zahllosen Zinssenkungen, Longlists der reichsten Deutschen und sonstigen Neuerscheinungen auf dem Alt- und Wertpapiermarkt: Wer soll das alles überhaupt intellektuell und finanziell verkraften? Unser preisgekröntes Redaktions-Feuilleton hat deshalb beherzt in die Grüne Tonne gegriffen und präsentiert die wichtigsten Lektüreempfehlungen zum Herbst.

   Da wäre zunächst das vielversprechende Debüt der Heimatdichterin Christine Hau. Ihr 17-bändiges, in bayrischen Alexandrinern geklöppeltes Versepos beschreibt die Affäre einer Kanzleichefin mit einem schüchternen Modellauto. Spät bemerkt die Heldin, dass beim Verkleben der Vordersitze die Handbremse vergessen wurde. Das Nachwort hat der Klöppelpoet Horst See von Hofer verfasst. Zärtliche, wortlose Kunst. Erhältlich auf Deutsch und Katholisch.

   Das neue Ich-Drama von Francois Ollande ("Je") hingegen liest sich schnell und ätzend wie die Fluchtwegbeschreibung in einem Pariser Bordell. Der kaltschnäuzige Franzose mit dem irren Blick inszeniert sich in kühlen Metaphern als eine frauenmordende Herrenbrille (randlos). Doch im letzten Akt wird das dauererrigierte Gestell vor dem Elysee-Palast von einem rachesüchtigen Stöckelschuh dekonstruiert. Ab 21.



   Mario G. Omez liefert in "DIe Angst des Stürmers vor dem Strafraum" das bedrückende Psychogramm eines ehemaligen Star-Kickers, der unter Amnesie leidet. Statt Tore für seine Mannschaft zu schiessen, kuschelt er immer öfter mit gegnerischen Torpfosten oder führt Gespräche mit seinem üppigen Haupthaar. Ein leiser Text voller Anspielungen und liinguistischer Fehlpässe. Leider hat der Autor auch alle Kommaregeln vergessen.

   Zum Schluss noch ein Tipp für die Fans der feinen Kriegsprosa. Frank-Walter Eiers luzider Essay "Aus dem Westen was Neues" ist seit Goethes "West-östlicher Divan" sowie Heckler und Kochs Gebrauchsanleitung für das Sturmgewehr G 3 das Abgründigste, was die deutsche Literatur hervorgebracht hat. Jedes Wort ein Treffer. In diesem Sinne: Viel Spass beim Schmökern!

 

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