Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (07. Dezember 2014)
 
Stille Nacht bis es kracht
 

   "Maria durch den Dornwald ging. Kyrie eleison." Genau, Dornwald. Den haben wir. Am Stand Nummer 54 hinter der Kirche. Unser Dornwald ist beleuchtet und singt. 13 gängige Choräle, die er sich per Streaming aus dem Netz zieht. Oder hier, der Gemüsehobel "Winterzauber", der sich auch in die geballte Faust des Linkshänders einschmeichelt und jeder Gurke geschmeidig die Haut abzieht.



   Technik und Trance. So etwas gibt es nur auf einem deutschen Weihnachtsmarkt. Im Lichtermeer der Buden vermählen sich Kulinarik, Kindheitssehnsucht und die Wirkung zuckerhaltiger Alkoholika zu einer beseelten Hemmungslosigkeit. Der aus den Buden aufsteigende, von Bratensaft, Wurstschweiss und Glühweinnebel eingedickte Dampf ist nur noch mit einem elektrischen Brotmesser zu durchschneiden, das es für 13,95 Euro an Stand 45 gibt. Auf dem Weihnachtsmarkt wird der Mensch zuerst zum Kind, dann zu einem weinenden, sabbernden Wrack. Er sucht Geborgenheit und die Nähe zum Unendlichen. Stattdessen stösst er im Gedränge an Trauben von Schweizer Touristen, die sich an einem garantiert ausländerfreien Glühweinfass in den Armen liegen. Er sieht Unternehmensberater, die angesichts eines vollbusigen Christkindls aus der benachbarten Büroetage wieder zum Menschen werden, und Taschendiebe, die unter Punscheinfluss ihrhe Sünden beichten und am Stand 85 von der Marktaufsicht exkulpiert werden. Die Augen glänzen und glimmern im Schein der Joja-Wellness-Kerzen mit 54-prozentigem Mango/Vanille-Anteil.

   Doch in den Weihnachtsmarkt geht man nicht einfach hinein. Wer ins Herz der Adventserleuchtung vorstossen will, tut gut daran, Monate vorher Zimtstangen im Handschuhfach seines Autos aufzubahren, mit einer Schokobanane ins Dampfbad zu gehen und via Skype mit den drei Weisen aus dem Morgenland über den Fettanteil in Rostbratwürsten zu fachsimpeln. Wer dabei schludert, muss damit rechnen, dass seine Magenschleimhaut nach dem Besuch einer Raclette-Küche zusammenschnurzelt und an Stand 23 von einem medizinisch geschulten Not-Nikolaus mirt raschen Schnitten ausgetauscht werden muss.



   Aber, es hilft nichts. Da muss man durch. Sind ja alle guter Stimmung, Stille Nacht, Heilige Nacht, bis es kracht. Spröde Hirnrinden weichen auf, Zähne beissen knirschend auf gebrannte Mandeln. Jetzt noch einen Schnaps, wegen der Verdauung und so. Glasiger Blick auf brandbemalte Speckbrettchen: "Nur Freude, Glück und Sonnenschein sollen meine Gäste sein." Genau, unser Motto. Auf den Grills liegen alle Tiere aus dem Stall von Bethlehem. Lämmchen schmeckt am besten. Und da, weisser Glühwein. Nur mal kurz den Finger rein. Möchte die schöne Frau vielleicht abschlecken? Kleiner Scherz. Fettes Essen zwingt den Alkohol in die Knie. Und lecker ist alles hier.

   Jetzt noch ein Gläschen finnischen Acetonpunsch. Und dann machen wir dieser GewürMznelke am Stand 78 einen Heiratsantrag. In zehn Minuten kommt der Weihnachtsengel und löscht ds Licht. Endlich.

 

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