Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (22. Februar 2015)
 
Filmreife Leistungen
 

   Aus dem Kühlschrank hört man die rhytmische Schnappatmung der ausharrenden Käse-Igel. Das Massagekissen tanzt sich allmählich in Ekstase wie die Hamburger FDP. Und der neue Kaffeevollautomat mit dem praktischen Schlauch zur parktischen intravenösen Direkteinspritzung ist auch schon verstöpselt. Kurzum: Der Countdown läuft wie geschmiert. Nur noch wenige Stunden sind es bis zum wichtigsten Kulturereignis des Jahres.



   Dabei handelt es sich nicht um den letzten "Tatort" mit Joachim Król als trübsinnigen Hauptkommisar Steier (endlich!). Nein, gemeint ist die Verleihung des der begehrten Film-Oscars in Los Angeles mit all dem sinnlos umherschwirrenden Stargeschmeiss (kreisch!). Doch die Nacht der Nächte ist auch eine Entäuschung für jene Regisseure, Requisiten und Wasserträger, die in diesem Jahr nicht nominiert worden sind. Unser preisgekrönte Feuilletonredaktion (Schwarzer Gürtel, Siegesurkunde Bundesjugendspiele 1979) hat die wichtigsten aller übergangenen Meisterwerke der letzten Zeit zusammengefasst.

   Da wäre zunächst das Roadmovie "Ziemlich beste Freunde" von Django Varoufuckis. Der Quentin Tarantino des hellenischen Autokinos erzählt in dieser benzingeschwängerten Kapitalismussatire die Geschichte eines abgebrannten Athener Bikers mit Krawattenallergie, der bei einem älteren deutschen Rollstuhlfahrer mit Kontoblähungen als duldsame Pflegekraft unterhalb des Mindeslohns anheuert. Doch als Gianis nach entbehrungsreichen Jahren in einem Brief (auf Altgriechisch) höflich um eine Gehltserhöhung (in Euro) ersucht, gerät die Situation ausser Kontrolle, Der senile Wolfgang sieht dunkelrot und löst die Handbremse. Zahlreiche Reszenten lobten das zarte Muskelspiel der beiden Hauptdarsteller sowie den hypnotisierenden Klangteppich des Soundtracks, der stark an das Wiehern eines Trojanischen Pferdes im Hof eines schwäbischen Abdeckers erinnert.



   Oder "Fifty Shades of Grau", eine dreistündige Pornografiefantasie eines jungen, erfolgreichen und virilen Angestellten, der sich nach Feierabend in der Steinzeugabteilung seines Baumarkts einschliesst und mit einer unersättlichen Dekorfliese ein dreckiges Liebesspiel aus Dominanz und Unterwerfung vollführt. Seit dem Start glühen die Kinokassen wie die Lenden eines einsamen Nacktmulls. Dank dieser Hommage an die Farben Steingrau, Mausgrau und sexy Staubgrau wird in diesem Land nun offener über Sadomasochismus, Kabelbinder und Fugenkleber gesprochen.

   Und nicht zu vergessen: Der abartige Zukunftsthriller "18 Stunden sind kein Tag" von Rainer Maria Hassfinder. In einem superreichen, von einem Algorithmus namens "Angela" regierten Staat mitten in Europa schuften im fernen Jahr 2015 Millionen Tagelöhner, um am Ende nichts zu haben, weder Geld, Ansehen noch Perspektiven. Ein atmosphärisch-dichter Albtraum in Schwarz-Rot-Gold. Das Drehbuch? Schrieb das Leben selbst. Oscarreif.

 

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