Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (29. März 2015)
 
Der Erfinder der Rasenkante
 

   Die Griechen machen uns ja gehörig zu schaffen. Halb Europa taumelt ihretwegen zwischen Instabilität, Verwirrung und Wahnsinn. Doch mitten in dieser ökonoischen Dystrophie vollzieht sich unaufhaltsam der Aufstieg Deutschlands zur letzten Supermacht. Hellsichtige Experten haben das längst vorhergesehen. Deutschland hatte in Kultur, Wissenschaft und Politik eine so unbestreitbare Vorrangstellung übernommen, dass sich historisch gebildete Zeitgenossen an Epochen erinnert fühlen, in denen nur ein wenig mehr Luftunterstützung zum Endsieg ... aber lassen wir das.



   Klar ist: Die Deutschen haben die Rasenkante erfunden, sie haben zum ersten Mal Kunst und Massentransport versöhnt. Ihre Tütensuppen ernähren die Welt, ihre Tannenbäume stehen wie Elitesoldaten in der Landschaft und auch ihre Volksfeste wurden weltweit kopiert. Wirkungsmächtige Ideen haben von deutschen Boden aus ihren Siegeszug angetreten. Vollwertküche, Steuerhinterziehung, Mülltrennung, Frösche über die Strassen tragen. Jetzt im Frühjahr manifestiert sich die materielle und geistige Überlegenheit Deutschlands in der Figur des deutschen Osterhasen. Er ist schneller und klimafreundlicher als französische Wildschweine, britische Füchse und italienische Fasanen. Sein Lungenvolumen ist grösser als, seine Tragfähigkeit gleicht einem Containerschiff, er ist umfassend gebildet. Und - er schweift nicht ziellos umher, sondern arbeitet das ihm auferlegte Arbeitsprogramm ab. Schulden macht er nie. Kurzum, er verbessert in ganz Europa Angst, Hass und Neid.

   Vor dem Hintergrund dieser kulturellen Hegemonie ist der Umgang mit verantwortungslosen und kritikunfähigen Verwandten wie Griechenland natürlich sehr schwierig. Dennoch hat Deutschland besonnen reagiert. Man hat auf die Entsendung von Fallschirmjägern nach Kreta verzichtet - natürlich auch aus den Gründen mangelnder Transportkapazitäten. Nachdem der Zoll zu Beginn der Woche den griechischen Regierungschef Alexis Tsipras an der Grenze aufgegriffen hatte, schickte man ihn nach ausführlicher Personalienfeststellung nicht zurück, sondern stattete ihn mit Socken, Schuhen und einer Bahnkarte aus, die es ihm ermöglichte, Berlin zu erreichen. Als er im Kanzleramt Einlass begehrte, wurde ihm beschieden, er möge sich rasieren, waschen und das Gedicht "Abendlied" von Gottfried Keller auswendig zu lernen. Nach kaum zwei Tagen Quarantäne führte man den Besucher aus Athen in den Besprechungsraum "Tannenberg" im zweiten Geschoss des Kanzleramts.



   Das Ergebnis der Gespräche können sich sehen lassen. Griechenland ist der neue Vorgarten Deutschlands. Der Peleponnes wird zum Carport, in den jeder Deutsche seinen VW Turan abstellen kann. Bars und Oberhemden müssen geschlossen bleiben, in jeder Amtsstube hängt ein Bild von Markus Söder. Griechenland verwandelt sich unter deutscher Führung in eine Oase der Strebsamkeit. Dennoch, irgendein schales Gefühl lässt die Griechenkrise zurück. Diese Blicke ... Bemerkungen ... Warum mag uns der Rest von Europa nicht? Wir machen doch immer alles richtig!

 

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