Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (26. April 2015)
 
Die Heiterkeit des Frühlings
 

   Diese Kolumne hat sich seit jeher dem Wahren, Schönen und Guten verpflichtet, was in diesen Zeiten gar nicht so einfach ist. Aber wer genau hinsieht, der entdeckt doch immer wieder Leuchtfeuer der Humanität, Reinheit und Eleganz. Da wäre beispielsweise ... also da gab es doch ... genau ... und wirklich hübsch war es doch auch ... fällt uns jetzt gerade nicht mehr ein. Doch! Der Frühling.



   Der Frühling kam mit einer solchen Macht über Deutschland, dass die Rehe halb blind von der Sonne durch Wald und Flur stolperten, Liebesschwüre den Äther verstopften, der Nachschub an bulgarischen Sonnenbrillen stockte und sogar erbitterte Pegida-Jünger einige Geranien in die vergitterten Fensterhöhlen ihrer migrationsgesicherten Mehrraumwohnungen stellten. Der Frühling streckte uund reckte sich, warf einen verächtlichen Blick nach Griechenland und drang nach bis nach Salzburg vor, wo ein älterer Herr mit Raubvogelgesicht ins Freie trat und den millimetergenauen Abstand seiner Tomatenpflanzen überprüfte.

   Der alte Mann fühlt durch die die warme Sonne einen nie empfundenen Wunsch zur Versöhnung aufkeimen und denkt an seinen Kontrahenten in Wolfsburg. Soll er ihm ein Bukett mit Lilien und Kurbelwellen schicken? Ihn zu gemeinsamen Daumenschrauben mit dem Steckschlüssel einladen? Ihm vorschlagen, die Ehefrauen mal zu tauschen? Ein Anschein von Altersmilde durchzeiht das Gesicht des Raubvogels. Ach, das ferne Wolfsburg mit seinem emsigen Erfüllungsgehilfen! Qualmende Schlote, Roboter, Motoröl. Hier in Salzburg herrscht dagegen reine Göttlichkeit. Nur er selbst lenkt hier den Phaeton, den Sonnenwagen mit sprachgesteuerten Navigationssystem und LED-Dachhimmel durch die Alpen-Arkadien. Doch was ist das? Diese Spur des Rasenmähers in seinem dreitausend Quadratmeter grossen Park? Sie weicht im Abstand von mehreren Mikrometern von ihrer Parallelität ab. Unfassbare Schlamperei! Der Raubvogel misst rasch nach. Tatsächlich! Per torsionsfestem Edelstahl-Handy lässt er mit leiser Stimme den Gärtner hinrichten. Der Frühling macht sich derweil aus dem Staub.



   Doch abseits der Gewitterwolken über Salzburg herrscht bukolische Heiterkeit in Europa. Daran ist vor allem die Natur schuld, die sich der still stehenden Eisenbahnzüge bemächtigt hat. Grünes überwuchert die Gleise, dringt in die Wagons vor, schlürft den Rest-Kaffee aus den Mitropa-Automaten und verwandelt die Erste-Klasse-Abteile in feucht-tropische Klimazonen. Das wirft den Kontinent in seiner technologischen Entwicklung weit zurück, Denn eigentlich galt die Natur als domestiziert und sollte über kurz oder lang abgeschafft werden. Dies zeigen die Vorbereitungen für die Expo in Mailand, auf der gezeigt wird, wie die Menschheit in der Zukunft ernährt werden kann. Die Lösung ist der 3D-Drucker: Er wird Currywurst und Vitello tonnato aus dem Schacht werfen, während daneben ein Schnitzel im Reagenzglas heranwächst. Die Jahreszeiten sind damit überflüssig. Und auch Kolumnen wie diese,

 

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