Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (17. Mai 2015)
 
Blond ist die Zukunft
 

   Es musste ja so kommen. Nach der Bremer Bürgerschaftswahl ist der Markt für politisch unerfahrene Blondinen ohne Parteibuch wie leer gefegt. Echthaarperücken sind nur noch in den Farbnuancen "Frittengelb" und "Hrubesch-Gold" erhältlich. Frauen und Cabriohalterinnen, die entfernt an den jungen Heino oder eine weizenblonde Schönheit und Gucci-Taschen-Trägerin wie Lencke Steiner erinnern, erzielen Spitzenwerte bei Nichtwählern, Protestwählern und Fans von "Germany's Next Topmodel", was so ungefähr dasselbe ist. Ein Desaster.



   Während Kleinstwesenforscher noch über die inhaltlichen Motive für die völlig überraschende Vermehrung der FDP-Wahlpopulation an der Weser spekulieren (Klimawandel? Morbus Lindner?), haben die Strategen der grossen Volksschrumpfparteien längst ihre oberflächigen Lehren aus dem Wahldesaster in der Hansestadt gezogen. Weder rot, grün noch schwarz scheint die Hoffnung der Parteiendemokratie zu sein. Blond ist die Zukunft. Beste Aussichten für rhetorisch begabte Schaumfestiger.

   Nun denn. Jürgen Klopp wird möglicherweise neuer Trainer bei Real Madrid - oder Berti Vogts. Hauptsache blond. Anders die AfD-Frauke Petry findet frisurtechnisch noch keine farblich passende Alternative für Parteichef Bernd Lucke und plädiert daher für einen radikalen Schnitt im Nackenbereich - oder einen Rechtsruck in der tiefbraunen Scheitelgegend.

   Die SPD denkt längst darüber nach, ihre Generalsekretärin (dunkelhaarig, intellektuell) durch einen linksföhnenden Star-Coloristen zu ersetzen, um bei den kommenden Wahlen wieder mehr Stimmen zu ondulieren. Arbeiterlieder werden umfrisiert ("Völker, tönt die Signale!"), zerzauste Parteiprogramme auftoupiert und an der Sonne gebleicht. Genossen mit Resthaar sowie noch nicht zurück- oder komplett weggetretene sozialdemokratische Bürgermeister bekommen champagnerfarbene Strähnen verpasst, um sich künftig deutlicher von anderen Parteien abzugrenzen wie etwa ... auch egal. Der grau melierte Joachim Gauck warnt bereits vor einer Blondifizierung der Gesellschaft und drohte erneut mit einer pastorellen, abendfüllenden Rede zu irgendeinem historischem Thema.



   Man muss es aber versuchen. Schliesslich ist die Wahlmüdigkeit und geistige Klumnachtung unserer Tage ein riesengrosses Problem, nicht nur für Bremen und die Demokratie, sondern auch für all jene Männer, die ihre willensschwache Frauen morgens dabei zusehen, wie sie bei diesem ekligen Aprilwetter im Mai zwischen zwei Paar Schuhen schwanken. Stundenlang! Stets fragt man sich im Leben, was besser ist: Riemchensandale oder Gummistiefel? Gucci oder Jute? VfB oder Kickers? Ausharren oder streiken? FDP oder etwas Lilablassrosa? Die Entscheidung fällt immer schwerer. Und am Ende sitzt man auf einer Couch, glotzt den "härtesten Abstiegskampf aller Zeiten" (BILD), liest eine blond gefärbte Glosse und vergisst das Ankreuzen. Tja.

 

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