Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (21. Juni 2015)
 
Der Trojaner im Bundestag
 

   Der Deutsche Bundestag, Ort historischer Redeschlachten, Schauplatz von Intrigen, politischer Morden, Affären, Bühne für Liebe und Verrat, wurde entblösst. Jede poltische Absprache im Hinterzimmer, jeder frische Leberfleck auf der Wange eines Parlamentarischen Geschäftsführer erscheint im selben Augenblick in den Geheimdienstzentralen Chinas, der USA oder Burkina Fasos. Der Grund: Datenhacker sind ins Herz des deutschen Parlamentarismus eingedrungen. Sie bedienen sich offenbar eines sogenannten Trojaners, meist ein unauffälliger Mann mittleren Alters mit Stirnglatze, der aussieht wie alle Lobbyisten, Zuträger oder Hinterbänkler. Der Eindringling benutzte den Eingang für die Lieferanten hinten rechts und verbarg sich in einem der unzähligen Weinkartons, die dort angeliefert wurden. Kaum angekommen, sendete er hochbrisantes Material hinaus in alle Welt.



   Das Depot mit den Kleidern von Claudia Roth etwa, das ohne farbmildernde Schutzbrille nicht betreten werden darf. Dann die legendäre 257005stellige Datenreihe der Bundesregierung zur Entwicklung des Ammoniakemmissionen in Deutschland. Der Trojaner enthüllte, dass die Currywurst der Kantine von lebenden Tieren stammt und klinkte sich in die Videoüberwachung der Herrentoilette im Paul-Löbe-Haus ein. Die Bilder von dort sind so entsetzlich, dass sie hier nicht beschrieben werden dürfen.

   Damit nicht genug, der mysteriöse Spion schlug sich bis ins benachbarte Kanzleramt durch und entdeckte dort Rechnungen über drei Tonnen Kalbsbries, mehrere ganze Thunfische, Hekatomben von Hähnchenschnitzeln und alle im vergangenen Jahr auf Sizilien zubereiteten Antipasti. Die Bestellung lautete auf den Namen Altmaier. Offenbar handelt es um eine Privatinitiative des Kanzleramtchefs zur Lösung der weltweiten Ernährungskrise. Fast wäre der Trojaner in einem unaufmerksamen Moment selbst von Altmaier aufgegessen worden, konnte sich aber durch einen beherzten Sprung in einen Container mit Vitello Tonnato retten.

   Was wie eine Räuberpistole klingt, war harte und gefährliche Arbeit. Denn die Abgeordneten benutzen ein Windows-Betriebssystem, das kurz nach dem Krieg auf den Markt kam. Die Rechner werden über Nacht hochgefahren und sind hochsensibel. Eine falsche Berührung mit dem Schraubenzieher und alle Einzelkomponenten zerfallen zu Staub, zugleich erklingt die Mundharmonika von Herbert Wehner. Wer den Zwölf-Nadel-Druckern zu nahe kommt, der riskiert schwere Verletzungen.



   Der Trojaner konnte noch nicht ermittelt werden. Er wechselt blitzschnell die Parteizugehörigkeit, schimpft an einem Tag über die Griechen und fordert am nächsten Tag die Homo-Ehe. Er döst im Plenum, schlägt Journalisten kumpelhaft auf die Schultern und macht sich die Tatsache zunutze, dass viele Fraktionen ihre Mitglieder nicht mehr persönlich kennen. Die Bundestagsverwaltung reagiert: Alle unauffälligen Männer mittleren Alters mit Stirnglatze werden überprüft. Das kann noch Jahre dauern.

 

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