Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (27. September 2015)
 
Die Welt will betrogen sein
 

   Machen wir uns nicht vor. Im Leben ist nicht entscheidend, ob wir das Richtige tun. Das können wir Menschen gar nicht wissen. Wer überblickt schon all die Auswirkungen und Folgen, wenn er - sagen wir mal - für Afrika was spendet oder eine Bio-Banane kauft. Vielleicht hilft es was, vielleicht aber stärkt man dadurch auch nur irgendeinen afrikanischen Diktator oder mästet unnötigerweise den Besitzer des Obstladens um die Ecke.



   Entscheidend im Leben ist, dass wir etwas mit einem guten Gefühl tun. Oder zumindestens danach ein gutes Gefühl haben. So betrachtet, ging der VW-Konzern in die richtige Richtung. Er wollte den Autofahrern das gute Gefühl geben, ein leistungsstarkes Fahrzeug zu besitzen, das zugleich strengste Abgasvorschriften erfüllt. Da fährt es sich doch gleich ganz anders! Und wir haben es geglaubt, wir wollten es glauben. Die Versöhnung von Ökonomie und Ökölogie sei möglich, trichtern uns die Grünen seit Jahren ein. Demnach kann man als gut betuchter Grünen-Wähler in Saus und Braus leben, ohne der Umwelt zu schaden. Man muss für die Dinge, die man benutzt, nur ein bisschen mehr ausgeben oder an irgendwen eine Umweltabgabe zu entrichten. Und natürlich die richtige Partei wählen.

   Wer konnte denn ahnen, dass es Umweltschützer und Wissenschaftler es so genau nehmen? Haben die doch glatt nachgemessen, ob die Werte stimmen. Jetzt ist ganz Deutschland in heller Aufregung. Wenn man alles Geschriebene zusammennimmt, muss nicht nur VW-Chef Winterkorn zurücktreten, sondern die ganze deutsche Autoindustrie, ach was, die ganze deutsche Wirtschaft! Und zwar vor lauter Scham, denn VW wurde beim Schummeln erwischt und hat so uns unser gutes Gefühl geklaut.



   Sehen wir die Dinge zur Abwechslung mal positiv. VW hat irgendwo in seinen Fahrzeugen eine Software installiert, durch die sich das Auto auf dem Prüfstand anders verhält als auf der Strasse. Das ist zum einen eine grosse technische Meisterleistung und zum anderen überaus menschlich. Wir alle benehmen uns doch anders, wenn wir auf dem Prüfstand stehen. Schulkinder tanzen auf den Tischen, sobald der Lehrer das Klassenzimmer verlässt. Autofahrer schleichen brav an den Blitzsäulen vorbei und geben danach richtig Gas. Der Mensch belügt sich und andere seit Jahrtausenden, und die gute Nachricht ist doch: Jetzt hat man dafür eine Software entwickelt, die einem die Arbeit diesbezüglich erleichtert.

   Eigentlich bräuchten wir gerade jetzt dringender denn je eine solche Lügen-Software, um unser gutes Gefühl wiederzubekommen. Flüchtlingskrise, VW-Skandal, Umweltverschmutzung - die Herausforderungen sind gigantisch. Einen Stimmungsaufheller, der uns frohgemut ans Werk gehen liesse, das wäre doch schon was. Schon morgens, wenn wir uns auf die Waage stellen, wollen wir eigentlich angelogen werden. Warum baut VW seine Software statt in Personenwagen nicht in Personenwaagen ein?

   Lasst uns endlich wieder optimistischer werden! Oder anders ausgedrückt: Machen wir uns was vor!

 

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