Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (15. November 2015)
 
Im Namen der Jogginghose
 

   Bisher hat die Welt kaum Notiz von Schwiebendingen genommen. Doch als in der vergangenen Woche eine Schwieberdinger Schulleiterin verkündete, dass an ihrer Schule künftig Jogginghosen ausserhalb des Sportunterrichts tabu seien, da war Schwieberdingen für kurze Zeit so etwas wie der Nabel der Welt - auch wenn das Problem, genau besehen, etwas tiefer sitzt.

   Die Anweisung der Direktorin provozierte ein interessantes Gedankenexperiment: Angenommen, alle abseits von Turnhallen getragenen Jogginghosen würden sich mit einem Schlag in Luft auflösen, wie sähe es dann in unseren Fussgängerzonen aus? Gut, man muss die Sache nicht mit allen Konsequenzen zu Ende denken. Seit Jahrmillionen beklagt sich die Modeindustrie, dass der deutsche Mann es mit seiner Unterhosenausstattung nicht sonderlich genau nehme.



   Wenn die Schlabberhose aus dem Bild der Öffentlichkeit verschwinden soll, dann bitte daheim umziehen. Doch damit stehen wir schon vor dem nächsten Problem. Wo fängt in Facebook-Zeiten die Öffentlichkeit an? Wo hört sie auf? Nehmen wir nur mal den noch amtierenden Bundesliga-Trainer Alexander Zorniger, VFB Stuttgart. Hat den Mann schon mal jemand ohne Trainingshose gesehen? Ist so ein Trainer nicht auch ein Vorbild für die Jugend?

   Auf dem Trainingsplatz könnte man die Kluft ja noch durchgehen lassen, da muss der gelernte Schullehrer womöglich hin und wieder zeigen, wie es richtig geht. Aber beim Spiel auf der Trainerbank? Vielleicht wäre der Verweis auf das Outfit eines gewissen Herrn Guardiola und dem Punktestand von dessen Team hilfreich.

   Man weiss es nicht. Sicher ist nur eines, Menschen, die die Schlabberhose aus dem Alltag verbannen möchten, stehen vor einen grossen Aufgabe. Vermutlich ist es leichter, den VFB Stuttgart auf Champions-League-Format zu trimmen, als junge Leute, die direkt von der Strampelhose in die Jogginghose gewechselt sind, davon zu überzeugen, dass die Welt keine Muckibude ist und es so etwas wie eine Kleiderordnung gibt.

   Vielleicht sollte man Schlabberhosen-Fans erklären, dass der Vorteil der Jogginghose (man spürt sie nicht) gleichzeitig auch ihr Nachteil ist. Etwas, das man nicht spürt, vergisst man womöglich zu wechseln - und läuft tagein, tagaus mit derselben herum.



   Oder man sollte den italienischen Schriftsteller, Philosophen und Anzugträger Umberto Eco ins Spiel bringen, der sich in einem Art Menschenversuch in eine Jeans zwängte - und plötzlich ein neues, wohl nicht unangenehmes Körpergefühl verspürte. Sein Text darüber heisst nicht "Im Namen der Hose", sondern "Das Lendendenken".

   Dem eingefleischten Jogginghosen-Träger, ist zu fürchten, wird auch dieses nicht beeindrucken. Er wird uns erwidern, dass er in Situationen, in denen ein konventionelles Beinkleid hinderlich ist, klar im Vorteil ist. Dagegen ist wenig zu sagen. Da steht man dann gewissermassen mit heruntergelassener Hose da.

 

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