Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (27. Dezember 2015)
 
Hüftgold und Hirnblähung
 

   Die Fussabdrücke im Teppich ähneln den tiefen Spuren eines Nilpferdes vor einem Schlammloch. Die Dielen knirschen bei jedem Schritt wie bei einem Erdbeben. Das frisch gewucherte Hüftgold wankt und schwankt zum deutschen Hit: Atemlos durch die stille Nacht. Lieder und Rituale braucht der Mensch und dann und wann eine Diät. Der Speck und Dreck muss jetzt weg, keine Frage. Nach dem Aufwachen aus dem Weihnachtsbratendelirium schaut man alle Jahre wieder entsetzt um sich. Kein Schnee, nirgendwo ein winterkalter Hauch der Erkenntnis. Dafür überall müde Tannennadeln, Kekskrümel, Verpackungsschleifen. Fettflecken auf der Seele. Ausser Spesen nichts gewesen. Was soll man dazu sagen? War es wieder ein Fest für den Einzelhandel? Playstation statt Orangen, mehr Cool Water als Myrrheduft und Weihrauch. Bescherung ohne Bestpreisklausel.



   Aus den Badezimmerspiegeln starren einen putineske Fratzen an. Leib gewordene Erinnerungen an dampfende Gänsekeulen, so glänzend und bewusstseinsverengend wie die sieben Outfits der Helene Fischer in ihrer Glittershow. Knüppelharte Knödel so magenschwer wie die undemokratischen Festtagsgrüsse von den polnischen EU-Verwandten. Betäubend süsse Zuckerstangen fast so lang wie die Zahlen auf Pep Guardiolas neuem Gehaltsscheck aus England. Die Gier regiert kaczyniskimässig an der Verfassung vorbei, was ja gar nicht geht, der Papst hat da schon recht. Verschärfte Gesetze gegen den Konsumterror müsste mal jemand verabschieden. Aber jetzt geht es erst einmal ans Umtauschen!

   Plötzlich spannt und zwickt es an Stellen, von deren Existenz man nichts mehr wissen wollte. Doch kaum sind die Glühweinfahnen verweht, wurden die Adventskränze in letzter Sekunde gelöscht, tobt wieder anderswo der Krieg der Sterne, aber ganz in der Nähe. Nach dem Exsess folgt der nächste Ausbruch, quälen den erschlaften Gesellschaftskörper Flatulenzen und geistige Verstopfung. Flüchtlingsheime rauchen, Flüchtlinge ertrinken, Polizisten sterben. Sinnfrei und unfassbar das, kaum glossentauglich. Von irgendwoher bläst es andauernd mächtig, zurzeit aus Nahost oder von rechts aussen in der dunpfen Mitte, Von wegen milder Winter. Es fröstelt von innen. Andauernd hört man irgendwelche rhetorische Schneeschaufeln im schwarzen Anzug "Wir schaffen das!" in der Glotze skandieren - und man fragt sich ernsthaft, wen die mit "Wir" eigentlich meinen.



   Abhilfe bei allgemeinem Schlager-Völlegefühl versprechen Fastenkuren, aber auch ein frühlingshafter Verdauungsspaziergang aoll Wunder wirken. Die CSU wird deutlicher, warnt vor veganer Kost und harmoniert mit den fetten Wirtschaftsverbänden, die - Überraschung! - den Mindestlohn für Flüchtlinge verschlanken wollen. Alles Quatsch. Wer nach dem Plätzchenmassaker entschlacken möchte, sollte hart zu sich und nicht gegen andere sein. Und wenn nichts gegen Fernsehpfunde und Hirnblähungen hilft, so hilft eines bestimmt - einfach mal den Stecker ziehen!

 

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