Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (14. Februar 2016)
 
Herrschaften des Unrechts
 

   Herrschaftszeiten! Bayerns Ministerpräsident Hort Seehofer (CSU) hat wegen des Zugunglücks in Bad Aibling gar nicht beim politischen Aschermittwoch mitgemacht und trotzdem fast die ganze Woche über die politische Debatte bestimmt. Das ist ärgerlich für all jene Politiker, die sich von ihren Mitarbeitern gepfefferte Reden haben schreiben lassen, die dann aber in der allgemeinen Empörung über Seehofer untergegangen sind.

   Zwei Sätze sind es, bei denen alle einen Satz gemacht haben: "Wir haben im Moment keinen Zustand von Recht und Ordnung. Es ist eine Herrschaft des Unrechts." Das hat Seehofer mit Blick auf den unkontrollierten Flüchtlingszustrom in einem Interview gesagt.



   So, Kinder, jetzt Textinterpretation: Recht und Ordnung - das muss jeder konserative Politiker natürlich im Repertoire haben. Der Wunsch nach Recht und Ordnung unterscheidet ihn von den ganz linken Chaoten. Womit wir schon beim zweiten Satz wären: Hier könnte dem Wort "Unrechts" eine doppelte Bedeutung zukommen. Wenn man es nämlich kleinschreibt, fasst es Seehofers grundsätzliche Abneigung gegenüber der Politik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammen. Merkel ist aus Sicht von Seehofer unrechts, also links, also eigentlich in der falschen Partei. Deshalb finden Grüne und SPD die Merkel ja so gut. Und die vielen linken Journalisten auch. Alles im Grunde Herrschaften des Unrechts, wenn man die Welt mit den Augen von Horst Seehofer sieht.

   Von den Medien und seinen politischen Gegnern wurde Seehofers "Herrschaft des Unrechts" als böse, sogar persönliche Beleidigung von Merkel interpretiert. Seehofer habe damit die Politik der Kanzlerin ostdeutscher Herkunft in die Nähe der Unrechtsherrschaft in der untergegangenen DDR gerückt. Das kann man so sehen. Womöglich aber hat Seehofer auch nur eine gewisse Eigenmächtigkeit von Merkel bei der Anwendung europäischer und deutscher Regeln in der Flüchtlingskrise kritisieren wollen, aber sich im Ton vergriffen. Dagegen spricht wiederum, dass er den Wortlaut des Interviews autorisierte und sich danach jegliche Interpretationen verbat. Am Mittwoch sagte er dazu den schönen Satz, den wir hiermit zum Satz der Woche küren wollen: "Was ich nicht sage, meine ich auch nicht."



   Bei Seehofer gilt also das gesprochene Wort. Was er sagt, meint er so. Und wer es falsch versteht, der meint es nicht gut. Das wäre natürlich das Ende jeglicher Textinterpretation, da könnten Journalisten und Deutschlehrer einpacken.

   Wie anders ist da doch Kanzlerin Merkel. Bislang hat sie meist Nichtssagendes gesagt - und es den Journalisten überlassen, zwischen den Zeilen zu lesen. So etwas hat man in der DDR-Diktatur gelernt. In Sachen Seehofer hat Merkel dieses Mal aber nicht einmal Nichtssagendes gesagt, sondern garnichts. Sonst hätte sie wahrscheinlich echt mal was sagen müssen. Die Botschaft an Seehofer ist klar: Das Tischtuch ist zerschnitten. Und was Merkel nicht sagt, das meint sie auch so.

 

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