Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (06. März 2016)
 
Plädoyer für die Wiedergeburt
 

   Also, wenn Sie mich fragen, ich wär für die Wiedergeburt. Ohne Wenn und Aber. Wobei ich schon Wert darauf legen würde, wieder als Deutscher das Licht der Welt zu erblicken.

   Nicht dass Sie das jetzt in den falschen Hals bekommen, in diesen hysterisch aufgewühlten Tagen kann das leicht passieren. Ruck, zuck, stehst du in der nationalistischen Ecke. Ich zähle mich nicht zu jenem Menschenschlag, der meint, dass der Deutsche qua Geburt zur Krönung der Schöpfung gehört und wir alle nur deshalb nicht schreiben wie weiland Schiller und Goethe, weil uns das Fernsehen davon abhält. Es wäre einfach praktischer für mich, als Deutscher wiedergeboren zu werden wie, sagen wir, als Malaysier, obwohl das Land sicher auch schön ist.



   In Deutschland kenne ich mich aus, hier weiss ich, wie man einen Fahrkartenautomat der Bahn bedient. Ich kenne den Unterschied zwischen Erst- und Zweitstimme bei Wahlen, und ich beherrsche nicht nur die Landessprache, sondern auch die der Eingeborenen.

   Für meine Wiedergeburt als Deutscher spricht aber auch dies: Hier wirst du trotz Feinstaubbelastung und Spontanbeschallung durch Helene Fischer der Statistik zufolge so alt wie kaum irgendwo auf der Welt. Das hat uns erst in diesen Tagen das Statistische Bundesamt wieder wissen lassen. Wer im Jahre 2016 auf die Welt kommt, dessen Chancen stehen nicht schlecht, die 80 zu erreichen. Ich denke, es dauert noch ein paar Jährchen, dann überholen wir die Galpagos-Riesenschildkröte (150 Jahre). In 50 Jahren muss sich dann wohl auch die Islandmuschel (500 Jahre) warm anziehen, wenn sie mit uns mithalten will.

   80 ist ein stolzes Alter. Menschen meiner Generation, die schon seit Jahren auf der falschen Seite der 50 angelangt sind, können von Glück sagen, wenn sie 80 werden. Angenommen, ein Vertreter käme an meine Haustüre und würde mich fragen, ob ich bereit wäre, jetzt sofort als Deutscher wiedergeboren zu werden, ich tät unterschreiben. Sofern das Ganze seriös wäre und nicht mit einem Zeitschriftenabo einherginge.



   Japaner wäre natürlich auch eine Option, da wird man angeblich noch älter als wir, aber vermutlich nur deshalb, weil die rohen Fisch essen. Ich finde, das Leben hat ja schon mit Lebensqualität zu tun. Roher Fisch gehört bei mir nicht dazu. Und dann die Sprache. Allein schon das Erlernen der Schriftzeichen würde mich heillos überfordern. Um Japanisch zu lernen, dafür fühle ich mich zu alt. Daran würde auch eine Wiedergeburt nichts ändern.

   Vermutlich würde ich auch deshalb gern als Deutscher wiedergeboren werden, weil ich dieses Land mag. Das geht nicht so weit, dass ich aufstehe und mit singe, wenn bei Fussballspielen im Fernsehen die Nationalhymne erklingt. Von den Spielern erwarte ich das schon. Aber ich schau genau hin, wer mitsingt - und wer nur die Lippen bewegt. Insofern bin ich womöglich deutscher, als ich das wahrhaben will.

 

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