K�rzlich wollte ich meinem
Sohn etwas erz�hlen, aber ich kam nicht weit. "Das hast
du mir schon mal erz�hlt", sagte er und widmete sich wieder
seinem Handy.
So etwas passiert mir
in letzter Zeit immer �fter. Wahrscheinlich eine Alterserscheinung.
Alle sagen zwar, dass 50 das neue 40 sei, aber f�r mich pers�nlich
ist 60 einfach nur das neue 50.

Mit
40 ist mir das nicht passiert. Ich kann mich jedenfalls nicht
daran erinnern. Mittlerweise weiss ich ja gar nicht einmal mehr,
was genau ich meinem Sohn k�rzlich erz�hlen wollte. Ich befinde
mich also, was die Vergesslichkeit angeht, bereits in einem
fortgeschrittenen Stadium. Wom�glich habe ich all dies hier
schon einmal geschrieben, aber der verantwortliche Redakteur
hat es nicht gemerkt, weil er meine Texte nur oberfl�chlich
liest oder selbst vergesslich ist. Gruselig.
Anderenseits:
W�hrend ich r�ckw�rts mache, entwickelt sich mein Sohn offenbar
pr�chtig. Als er noch klein war, konnte ich ihm bestimmte Dinge
hundertmal sagen - er hat es nicht registriert. Wie oft schloss
ich meine Belehrungen dar�ber, wie man sich in Kindergarten
und Schule zu benehmen habe, mit dem Hinweis: "Das habe
ich alles schon mal erz�hlt." Nie hat es gefruchtet. Und
jetzt erkennt er Wiederholungen schon nach wenigen S�tzen. Das
ist ein grosser Fortschritt.
Im �brigen
sind Wiederholungen auch n�tzlich. Vor allem Kindern geben sie
Geborgenheit. Wenn ich fr�her meinen Sohn zu Bett brachte, gab
es immer den gleichen Dialog: "Schlaf gut, ich hab dich
lieb." - "Ich hab dich noch mehr lieb." - "Das
geht nicht." Oder wenn wir unsere Lieblingsserie "Two
and a Half Men" schauten, warteten meine Kinder auf den
gleichen Satz von mir, der ihnen ein L�cheln aufs Gesicht zauberte:
"Die alten Folgen sind die besten."
Wiederholungen
geben den Menschen Halt und dem Leben eine Struktur. Wissenschaftler
sagen, dass unser Gehirn ohne Wiederholungen total �berfordert
w�re. Wenn jeder Tag anders abliefe, das br�chte uns um den
Verstand.

Auch
die Politik ist voller Wiederholungen. Die Gr�nen streiten um
die richtige Richtung, die FDP will die Steuern senken, und
die CDU pl�diert f�r mehr innere Sicherheit. Was uns alle im
anstehenden Bundestagswahlkampf an Wiederholungen erwartet,
dagegen sind meine Geschichten geradezu Frischware.
Und
das ist auch gut so. Man stelle sich vor, die SPD w�rde pl�tzlich
nicht mehr von sozialer Gerechtigkeit sprechen, sondern davon,
dass sich Leistung lohnen m�sse. Das w�rde uns alle verwirren.
Es lebe die Wiederholung.
So, das werde
ich jetzt meinem Sohn erz�hlen. Er wird mir bestimmt sagen,
ob er das von mir schon mal geh�rt hat.
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