Die ganze Welt starrt dieser
Tage nach Berlin, wo das wichtigste Ereignis der Filmzunft seit
Bekanntwerden des positiven Schwangerschaftstest von George
Clooney stattfindet.
Auch an diesem
Jahr sind die internationalen Festspiele wieder ein optischer
Leckerbissen. Nicht nur wegen der saftigen Party-Schnittchen
und vielen Richard-Gere-Flittchen, die sich unter fadenscheinigen
Begründungen (Verletzungen der Menschenrechte in Tibet, intime
Friedensgespräche in Hotelsuiten) an den grinsenden Silberschnuckel
heranzumachen. Sondern auch, weil weder mit unbequemer Kritik
noch mit Analyse nicht gespart wird.

Zornigrote
Teppiche und Schals, wohin sich der Blick auch wendet. Keine
Pressekonferenz, keine Toilettendiskussion, auf der nicht kollektiv
die Vokabeln und Standardsätze des zeitgenössischen Berlinale-Idioms
wie "Trump", "Angst", "Demokratie"
und "Danke, ich liebe euch auch" gepaukt werden.
Bei
so viel inszinierter Empörung wird die Kunst schon mal zur Nebensache.
Bedauerlichweise, denn zwei Wettbewerbsbeiträge hätten grössere
Aufmerksamkeit verdient. So etwa der deutsche Terroristenthriller
"Saddam's Family" eines möglicherweise talentierten
Jungregisseurs, dessen wahre Identität unbekannt geblieben ist,
weil er nach Drehschluss in Nordrhein-Westfalen untergetaucht
ist. Sein Film handelt von der Spurensuche nach einem Attentat
auf einem Weihnachtsmarkt, bei dem ein polizeibekannter Gefährder
seine Bahncard 100 verloren hat, was aber ausser seiner tunesischen
Grossmutter niemand gejuckt hat.
Gedreht
wurde an Originalschauplätzen im Innenausschuss sowie in den
Aktenvernichtern von rund vierzig anderen Bundesbehörden, die
sich un gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Die Rolle
des Schwarzen Peters, verkörpert durch Moritz Bleibtreu - oder
jemand, der so ähnlich aussieht. Genal.

Grossartig
auch der Streifen "Moses von Würselen". Erzählt wird
die biblische Geschichte des Moses (hl. Martin Schulz), der
als kleiner Sozialdemokrat in einem Körbchen im Europaparlament
ausgesetzt und von einer angeschickerten Karnevalprinzessin
gefunden wird. Der junge Mann hat das schönste Leben als Adoptivbruder
des wankelmütigen Ramses (Sigmar Gabriel), spielt Fussball (Linksabräumer)
und liest täglich aus der Schröder'schen Übersetzung der Bibel
(Agenda zwanzigzehn).
Doch nach einem
heftigen Kurzschluss seines Barttrimmers erkennt Moses schlagartig,
wo er wirklich herkommt, nämlich von ganz unten, woraufhin er
das Tränenmeer des SPD-Volks teilt, die Spree trockenleckt und
hernach die Genossen aus der Knechtschaft der Union befreit.
Einfach mitreissend.
Man darf gespannt
sein, wer sich in diesem Jahr den Goldenen Bären aufbinden lassen
wird.
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